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Schwarz. Weiß. Tot.: Storys

Titel: Schwarz. Weiß. Tot.: Storys Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deon Meyer
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Gestalt
     hob sich dunkel vor dem Schein der Lampe ab. Er wusste, dass sie ihn nicht sehen konnte, aber sie blickte ihn an, und sein
     Herz schlug schneller. Er schluckte, schluckte wieder und lehnte sich nach vorn, ans Fenster.
    |95| Sie reckte sich nach den Gardinen und zog sie zu, erst die eine, dann die andere, und plötzlich war sie weg.
    Muller glaubte, ein feines Lächeln um die vollen Lippen gesehen zu haben, aber es waren immerhin zwanzig Schritte …
    Ein Bein war einschlafen, und er bewegte den Fuß, um die Blutzirkulation anzuregen. Er merkte, dass er den Atem angehalten
     hatte. Luft holen!, dachte er. Sein Herz schlug wie wild, und dann stieß er heftig den Atem aus. Er stolperte zurück zum Bett
     und streckte sich auf das Laken, vorsichtig, als würde das helfen, die Bilder zu bewahren.
    Erst spät nachts erkannte er: Es war das Haus direkt neben der Polizeiwache. Das Haus des Kommandanten.
    Das Haus von Duvenhage.
     
    Er traf Klein Willem Post frühmorgens im Laden der Kooperative – ein hünenhafter junger Mann mit einem dünnen Schnauzer und
     einer noch hellen, jungenhaften Stimme. Muller erklärte den Grund seiner Anwesenheit und stellte seine Fragen.
    Er habe keine Ahnung, sagte Klein Willem Post. Ja, sie hätten manchmal davon geredet, nach Johannesburg zu gehen, er und Tone
     de Beer. Aber nie richtig ernsthaft. Ja, die Woche über sei es ruhig hier, vor allem jetzt, wo Tone de Beer weg sei. Jetzt
     sei nur noch er übrig. Der einzige junge Mensch im ganzen Dorf.
    »Der einzige?«, fragte Muller.
    »Ja. Außer«, – er flüsterte jetzt – »Duvenhages Tochter.« Dabei tippte er sich mit dem Zeigefinger an die Schläfe und schüttelte
     mitleidig den Kopf. Aber Samstagsabend gebe es |96| Tanz in Caledon, er und Tone seien immer zusammen hingeritten. Tone habe da ein Mädchen kennengelernt. Er habe mit ihr angebändelt,
     ein bisschen jedenfalls. Hester Prinsloo. Ihre Eltern hätten einen Bauernhof hinten auf der anderen Seite von Karweiderskraal.
    Ob er sich an nichts erinnere, was vielleicht dabei helfen könne, Antonie de Beer aufzuspüren?
    »Nein«, antwortete Klein Willem mit einem bedauernden Kopfschütteln. »Aber wenn Sie ihn finden, Luitenant, dann richten Sie
     ihm bitte etwas von mir aus. Sagen Sie ihm, man läuft nicht einfach so davon, ohne sich vorher von seinen Freunden zu verabschieden.«
    Muller bat um eine Wegbeschreibung zur Farm der Prinsloos, ließ den Chevy an und begab sich auf die kurvenreiche unbefestigte
     Straße in Richtung Süden.
     
    Hester ähnelte ihrer Mutter nicht im Geringsten. Mevrou Prinsloo war dunkelhaarig und schmal, ihre Tochter war blond und besaß
     die üppigen Formen einer jungen Frau.
    »Mein Vater ist draußen auf dem Feld«, erklärte sie, bat ihn herein, servierte ihm Kaffee und einen Teller Gebäck, lauschte
     wohlerzogen seinen Erklärungen und beantwortete seine Fragen mit einer gewissen Ehrfurcht und Frömmigkeit, wie sie hier Pfarrern
     und Ärzten – und Polizisten – entgegengebracht wurde. Muller bemerkte erst jetzt, dass sie auf ihre Art schön war mit ihren
     runden blauen Augen, dem hohen Busen und den frischen, geröteten Wangen.
    »Antonie wollte Farmer werden, daheim in Patensie«, erklärte Hester Prinsloo. »Es war sein großer Traum. Er und mein Vater
     haben sich die ganze Zeit nur über Landwirtschaft |97| unterhalten. Ich kann einfach nicht glauben, dass er zu den Minen gegangen ist!«
     
    Zwei Meilen vor Botrivier stand sie am Straßenrand. Zuerst sah er das Gelb ihres Kleides, das sich hell vor dem Graugrün des
     spätsommerlichen Fynbos abhob. Doch er wusste, dass sie es war, noch bevor er ihre vage vertrauten Gesichtszüge endlich erkennen
     konnte. In einem plötzlichen Impuls bremste er und brachte den Chevy direkt vor ihr zum Stehen, halb in der Erwartung, dass
     sie wieder blitzschnell über die Straße rennen und wie ein Schatten auf der anderen Seite verschwinden würde.
    Doch sie blieb stehen und sah ihm in die Augen, während der große Wagen im Leerlauf vor ihr stand. Muller fühlte sich seltsam
     beklommen, als er sie sehnsüchtig mit seinen Blicken verschlang. Als ahne er, dass er nie wieder so von Schönheit überwältig
     sein würde.
    Ihre Augen waren von einem dunklen Schwarzbraun und leuchteten von innen. Von ihrer Stirn gingen längliche, kantige Linien
     aus, die sich schwungvoll um Augen und Wangenknochen wanden und in perfekter Symmetrie die Umrisse ihres Kinns zeichneten.
     Ihre Nase war lang

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