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Schwarz. Weiß. Tot.: Storys

Titel: Schwarz. Weiß. Tot.: Storys Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deon Meyer
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Abschürfung. Wundränder auf der einen Seite stumpf, auf
     der anderen Seite glatt und v-förmig. Wunde geht schräg durch den Musculus pectoralis. Bei der Tatwaffe müsste es sich um
     eine spitze Klinge mit einer Länge von über 13 cm handeln, da keine Heftquetschung nachweisbar ist. Offenbar hat das Opfer
     sich nicht verteidigt, da keine Kampfspuren an Händen und Armen nachweisbar sind. Der linke Herzvorhof sowie die Semilunarklappe
     sind durchbohrt. Sehr schwache Blutung. Der Tod muss praktisch unmittelbar eingetreten sein …
    Es folgten die Aussagen der Studenten. Zum Zeitpunkt der Tat, etwa zwanzig Minuten nach Mitternacht, befanden sie sich auf
     dem Heimweg zu ihrem Studentenwohnheim. Der X5 hatte sie kurz vor der Radarkamera auf der R304 überholt, knapp einen Kilometer
     hinter Stellenbosch. Die Fahrerin des BMW hatte ihr Fahrzeug vollkommen unter Kontrolle gehabt, als sie vor der Kayamandi-Ampel
     anhielt. Es waren weder Fußgänger noch andere Verkehrsteilnehmer unterwegs gewesen. Nur diese Frau vor ihnen, die einfach
     nicht weiterfuhr, bis endlich einer von ihnen ausstieg und nachsah.
    |140| Im Bericht des ermittelnden Kollegen stand, es handle sich bei der Toten um Mercia Hayward, wohnhaft in Stellenbosch, die
     sich nach einem Besuch bei Freunden in Welgedacht auf dem Weg nach Hause befand. Sie war 46, geschieden, kinderlos, offensichtlich
     wohlhabend. Neben ihr auf dem Beifahrersitz lag ihr Handy, und ihr Portemonnaie befand sich in ihrer Handtasche auf dem Wagenboden.
    October schrieb in sein Notizbuch:
Kontakt zwischen Holtzhausen und Hayward?
    Dann legte er beide Akten übereinander, holte einen Ordner, stanzte Löcher und heftete die Dokumente ab. Die Widersprüche
     und Rätsel ließen ihn nicht mehr los. Die einzig logische Erklärung bestand darin, dass irgendjemand log. Holtzhausens Tischgesellschaft.
     Die Studenten an der Ampel.
    October klappte den Ordner zu und schob ihn beiseite. Genug. Er konnte deswegen nicht seine Arbeit vernachlässigen.
    Doch er ließ das Notizbuch liegen, aufgeschlagen, und den Bleistift daneben, nur für den Fall, dass ihm Lösungen einfielen.
     Oder neue Fragen.
     
    Um Viertel vor vier läutete sein Telefon.
    »October.«
    Stille, nur ein leises Atmen.
    »Hallo?«, sagte er gereizt.
    »Superintendent …« Eine Frauenstimme.
    »Ja?«
    »Ich … ich habe die Briefe … für Sie abgegeben.« Ein schwaches Flüstern, fast wie ein Hauch.
    |141| October war sprachlos, weil er nicht damit gerechnet hatte, dass es sich bei dem Absender um eine Frau handelte. Und weil
     er glaubte, eine gewisse Ängstlichkeit aus ihrer Stimme herauszuhören.
    »Superintendent?«
    Er kam wieder zur Besinnung. »Sie können mich ruhig Johnnie nennen«, sagte er beruhigend und fügte dann, um sie zum Weitersprechen
     zu überreden hinzu: »Wissen Sie eigentlich, worin meine Aufgabe hier besteht?«
    »Nein.«
    »Nun, ich bin nichts weiter als ein Sachbearbeiter.«
    »Aber Sie sind doch Leiter des Archivs.«
    »Ja, aber das will nicht viel heißen. Wir haben hier nur ein kleines Archiv, nichts im Vergleich zum zentralen Kriminalarchiv
     zum Beispiel. Ich ordne die Akten der Provinzialen Sondereinheit – das ist alles.«
    »Aber Sie waren doch früher im aktiven Dienst.«
    Die Erwiderung: »Ja, vor langer Zeit«, lag ihm auf der Zunge, aber er schluckte sie hinunter. »War ich«, antwortete er stattdessen.
     Doch dann konnte er sich nicht länger beherrschen. »Ich habe viele Fragen an Sie, aber am meisten beschäftigt mich die: Warum
     ich?«
    »Florian«, sagte sie, ohne zu zögern.
    Der Name versetzte ihm einen schmerzhaften Stich. »Florian?«
    »›Manchmal hat man nichts als sein Durchsetzungsvermögen, seine Zielstrebigkeit und seinen eisernen Willen, um einen Verbrecher
     dingfest zu machen. Ich glaube fest daran, dass man kraft seines Geistes bestimmte Geschehnisse beeinflussen und Ereignisse
     auslösen kann.‹«
    |142| Die Worte brannten in seinem Inneren, rissen alte Wunden auf. Diese Schande, diese Erniedrigung! Denn es waren seine Worte,
     buchstabengetreu, die er vor elf Jahren in einem unbedachten, unbesonnenen Augenblick geäußert hatte. Und er ahnte, dass er
     einem Scherz auf den Leim gegangen war. Er hatte sich zum Narren gemacht. Wut zog in ihm auf wie ein Sturm und voll unterdrücktem
     Zorn sagte er einfach nur: »Nein!« Er knallte den Hörer auf die Gabel, packte den Ordner und warf ihn in die Ecke. Einige
     Seiten wurden herausgerissen und flatterten durch

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