Schwarz. Weiß. Tot.: Storys
die Luft; der Ordner prallte mit einem dumpfen Knall gegen einen Büroschrank.
October riss die Seite aus dem Notizbuch, knüllte sie zusammen und warf sie in den Drahtpapierkorb. Er nahm Mavis’ Päckchen,
verließ das Büro und schloss die Tür hinter sich.
Er wollte nach Hause, zu Pearlie, um Trost bei ihr zu suchen.
Pearlie hatte zu viel in der Küche zu tun, so dass er seine Gefühle vor ihr verbarg. Er begrüßte sie, kostete das Essen und
ging hinauf, um seine Flugzeuge zu bauen. Um halb acht klopfte es an die Wohnungstür. Als er öffnete, stand niemand davor.
Doch auf der Fußmatte lag ein gelber Umschlag.
3.
October trug den Kleber sparsam auf, um die Scheibe des Flugzeugmodells nicht zu verschmieren. Dann nahm er die Pinzette,
griff damit vorsichtig das Plastikteil und schob es |143| mit sicherer Hand in die Aussparung. Als es genau an der richtigen Stelle saß, atmete er tief aus.
Da hörte er das Klopfen an der Tür, höflich, eilig.
Bestimmt Muna, die ihn zum Essen rufen wollte, weil sich das Restaurant allmählich leerte. Er legte die Pinzette weg, ging
den Flur entlang zur Tür und öffnete.
Niemand. Im ersten Moment fragte er sich, ob er sich das Klopfen nur eingebildet hatte, ging hinaus, schaute sich um, sah
aber nichts. Erst als er wieder hineingegangen war und schon die Tür hinter sich zuziehen wollte, entdeckte er das gelbe Kuvert
auf der Matte. Ihm wurde flau im Magen.
Als er um zehn zum Essen hinunterging, war das Restaurant noch halb voll. Erst um kurz vor elf setzte sich Pearlie zu ihm,
aber er brachte es nicht übers Herz, ihr seine Sorgen anzuvertrauen, denn sie strahlte vor Glück.
»Wir haben jetzt Stammgäste«, verkündete sie stolz. »Die Leute da drüben sind schon zum dritten Mal hier. Und alle fragen
nach dem Sabanang, und wann wir es wieder einmal anbieten.«
Er nahm ihre Hand und drückte sie. »Ich freue mich so für dich.«
»Der Boeber ist aus, bis auf den letzten Rest weg! Siehst du den Mann mit dem Bart? Er hat drei Schüsseln gegessen.« Sie lehnte
sich zurück und seufzte zufrieden. »Wer hätte das gedacht, mein Herz?«
»Was habe ich dir gesagt, all die Jahre?«
»Du hattest recht. Wie war dein Tag?«
»So lala. Ich erzähl’s dir später.«
|144| Sie spürte, dass irgendetwas nicht in Ordnung war. Ihr Blick wurde wachsam. »Was ist passiert, John?«
»Ach, nichts. Ich bin nur ein bisschen müde.«
Sie sah ihn forschend an und sagte dann: »Ich werde Muna und Zuyane bitten, heute Abend allein aufzuräumen. Ich komme gleich
zu dir rauf.«
Als sie später eng aneinandergeschmiegt auf dem Sofa saßen, erzählte er ihr von dem Anruf am Nachmittag – von der Frau, die
behauptet hatte, sie habe die Briefe abgegeben. Und die dann zitiert hatte, was er vor elf Jahren selbst gesagt hatte, wortwörtlich,
als habe sie es vorgelesen.
»Florian«, sagte Pearlie und berührte mit den Fingerspitzen voller Mitgefühl seine Wange.
»Florian«, seufzte er. Die alte Wunde war wieder aufgerissen. Florian, die Ursache seiner gescheiterten Karriere und seines
lahmen Beins. Florian, der in Beacon Valley, Lentegeur und Eastridge sieben Frauen ermordet hatte. October hatte ihn gejagt,
neun Monate lang. Tag und Nacht, wie besessen, hatte er das Netz um ihn immer enger zusammengezogen. Und in der Hitze des
Gefechts, abgestumpft von dem Druck und dem Schlafmangel, hatte er zwei Fehler begangen, die sein Leben verändern sollten.
Erst hatte er in seinem Büro in einem Moment erschöpften Wahnsinns zu der schönen Journalistin der
Son
gesagt: »Manchmal hat man nichts als sein Durchsetzungsvermögen, seine Zielstrebigkeit und seinen eisernen Willen, um einen
Verbrecher dingfest zu machen. Ich glaube fest daran, dass man kraft seines Geistes bestimmte Geschehnisse beeinflussen und
Ereignisse auslösen kann.« Jedoch in einem bestimmten |145| Kontext, einem längeren Gespräch, in dem es ihm darum ging, sich besonders sorgfältig auszudrücken, so dass der breiten Öffentlichkeit
die richtige Botschaft übermittelt wurde – von der Hingabe, dem Ernst und dem systematischen Fortschritt der südafrikanischen
Polizei.
Doch am nächsten Tag stand auf der Titelseite folgende Schlagzeile:
Spitzenfahnder glaubt an übersinnliche Kräfte
. Er wurde landesweit zum Gespött, und der Senior Superintendent wollte ihn von dem Fall abziehen. An jenem Abend hatte er
unter dem Einfluss der tiefsten Demütigung das Haus in der
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