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Schwarz. Weiß. Tot.: Storys

Titel: Schwarz. Weiß. Tot.: Storys Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deon Meyer
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sagte sie und zeigte auf die Schüsseln, die in Reih und Glied standen. »Pienangcurry, geschmorter
     Reis, Seehecht-Beryani, Kabobs, Dattelsalat, Rote-Beete-Salat, Trifle«, zählte sie auf und hielt ihm das Gesicht hin, damit
     er sie küsste. Er tat es, grüßte Merle und brummelte Zuyane etwas zu.
    »Kann ich irgendetwas tun?«, fragte er seine Frau.
    »Du kannst mir sagen, wie dein Tag war.«
    »Sehr interessant«, erwiderte er.
    »Wunderbar, mein Herz.« Sie wollte noch etwas hinzufügen, aber in dem Moment zog Zuyane eine große Pfanne vom Herd. »Halt,
     Zuyane!«, rief Pearlie und gesellte sich zu ihrem Jungkoch. »Lass es noch ein bisschen weiterköcheln, wir wollen doch, dass
     das Fleisch die Gewürzaromen durch und durch aufnimmt. Merle, was sagen die Eier?«
     
    An seiner Werkbank schaltete er die Tischleuchte ein, setzte sich und betrachtete das fast fertige Modellflugzeug. An diesem
     Abend wollte er die Feinarbeiten vollenden, die dünnen Maschinengewehre, die Funkantenne, die beiden Propeller, die Tragflächenspitzen
     und die Bomben in der Abwurfhalterung.
    |155| Er begann zu arbeiten. Das Basteln bot ihm Halt, und die konzentrierte Beschäftigung mit den Händen half ihm über die Niedergeschlagenheit
     hinweg, die er an diesem Abend verspürt hatte. Er versuchte, seiner Stimmung auf den Grund zu gehen und dachte unwillkürlich
     an Zuyanes Hängeschultern. Die machten ihm zu schaffen. Der Junge war nicht mit dem Herzen bei seinem Beruf. Er war gerade
     erst mit der Lehre fertig gewesen, als Pearlie ihm als Freundschaftsdienst für seinen Vater die Stelle angeboten hatte. Doch
     Zuyane stand nicht gerne in der Küche, er hatte seinen Beruf nur auf Drängen seines Vaters ergriffen. Er würde nicht durchhalten.
     Eines Tages würde er sich einfach auf- und davonmachen, October sah es kommen. Und das Problem war, dass es Pearlie treffen
     würde, denn sie engagierte sich sehr stark für Zuyanes Ausbildung.
    Es fiel ihm schwer, sich einzugestehen, warum Zuyane ihm das Herz schwermachte. Die Wahrheit lautete: Zuyane und er waren
     sich zu ähnlich. Auch er hasste seine Arbeit.
    Unwillkürlich schreckte er vor der krassen Formulierung zurück, aber zu spät, schon hatte sie sein Selbstwertgefühl erheblich
     angekratzt. Es stimmte. Er hasste seine Arbeit. Alles an ihr. Er hasste die Routine, die Bummelei, die erstickende Langeweile,
     die dauernden Versuche, sich einzureden, dass all das wichtig sei. Und alle wussten von seiner Schande, die Kollegen, die
     ihn täglich grüßten: »Morgen, Oom Johnnie«, mit jenem abwesenden Blick, der sagte: Genauso gut hätte es mich erwischen können,
     ich darf gar nicht daran denken!
Leiter des Archivs,
sein aufgeklebter Titel, sein Trostpreis, sein Job bis zur Rente, verbannt an den Ort, an dem die südafrikanische Polizei
     ihre Peinlichkeiten verbarg.
    |156| Doch dann stieg unwillkürlich der tröstliche Gedanke in ihm auf, dass es nur noch ein Jahr bis zu seinem sechzigsten Geburtstag
     war. Dann würde er in Pension gehen, ungebrochen und mit vollem Rentenanspruch, und könnte seinen Mitmenschen wenigstens in
     die Augen sehen.
    Gereizt schnalzte er mit der Zunge bei diesen Gedanken. Er verabscheute seinen Selbstbetrug, sein krampfhaftes Klammern an
     seine Würde, wie heute Nachmittag, bei seiner Konfrontation mit dem Wecker. Er war entnervt von seinem eigenen Unvermögen,
     die Realität zu akzeptieren. Wütend darüber, dass er sich an die Briefe des Mädchens wie an einen Strohhalm geklammert hatte
     und über seine Enttäuschung, dass sie doch nur eine von diesen armen Irren war, ein trauriges, einsames Mädchen mit Wahnvorstellungen
     über abstruse Geisterwelten und einem schlechten Geschmack, der vor billigen Scherzen nicht zurückschreckte.
    Doch am schwersten zu ertragen war seine Enttäuschung darüber, dass sich die Briefe nicht als der Rettungsanker entpuppt hatten,
     den er sich erhofft hatte. Der letzte große Fall, mit dem seine Ehre wiederhergestellt worden wäre. Deswegen lastete diese
     dunkle Wolke auf ihm. Doch er würde sich zusammenreißen müssen, denn Pearlie hatte das nicht verdient. Sie brauchte Unterstützung,
     Hilfe, einen Mann, der mit beiden Beinen auf der Erde stand.
    Er würde dieses letzte Jahr seiner Strafe durchstehen wie ein Mann. Und nächstes Jahr würde er hocherhobenen Hauptes abtreten
     und von da an Pearlie helfen. Er würde die Buchführung des Restaurants übernehmen, die Ankäufe und die Verwaltung, damit sie
    

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