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Schwarz. Weiß. Tot.: Storys

Titel: Schwarz. Weiß. Tot.: Storys Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deon Meyer
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ihren Traum ungestört ausleben konnte. Er würde seine Ehrenschulden für ihre unerschütterliche, |157| bedingungslose und unendliche Liebe einlösen.
     
    Um Viertel vor zehn schloss er die Tür hinter sich und stieg die Treppen hinunter. Er betrat das Restaurant und war mit sich
     im Reinen – er konnte ohne die Briefe und die Possen leben.
    Muna eilte geschäftig hin und her, Pearlie kümmerte sich um ihre Gäste. Der Laden war noch zu drei Vierteln voll und von Stimmengewirr
     und Geschirrklappern erfüllt. Ein verliebtes Pärchen saß an seinem gewohnten Tisch in der Ecke. Er setzte sich auf einen freien
     Platz, bis ihm einfiel, dass es Büfett gab, rutschte wieder heraus und ging zu dem langen Tisch. Pearlie kam vorbei, küsste
     ihn herzhaft und lächelte ihn strahlend an. »Das Büfett ist ein voller Erfolg, mein Herz!«, sagte sie und eilte schon wieder
     weiter zu einem Gast, der gerade die Hand hob.
    October registrierte erleichtert, dass noch genügend Kabobs übrig waren. Die Weißen hielten sie bestimmt für gewöhnliche Frikadellen.
     Er legte sich vier Stück auf den Teller, beträufelte sie mit Blatjang-Soße, nahm ein wenig von dem Dattelsalat und setzte
     sich an seinen Tisch. Muna fragte ihn, ob er etwas trinken wolle. Er lehnte dankend ab, denn sie hatte schrecklich viel zu
     tun.
    Er schnitt einen Kabob auf und das Ei steckte wie ein Goldnugget im Hackfleisch-Erz. Er kostete. Perfekt, der leichte Räuchergeschmack
     des Fleischs, die Konsistenz …
    »Superintendent October«, sagte plötzlich eine weibliche Stimme neben ihm.
    Die Stimme kam ihm bekannt vor, doch er konnte sie |158| nicht sofort einordnen. Er blickte auf, mit vollem Mund. Neben seinem Tisch stand eine junge Frau. Sie war jung, sportlich-schlank
     und hatte lange, hellblonde Haare. Zu ihren Jeans trug sie ein weißes Hemd. Sie musterte ihn mit einem eigenartigen Gesichtsausdruck
     an, nervös wie ein Kind, das Schelte erwartet. In der einen Hand hielt sie einen großen braunen Umschlag, die andere hatte
     sie auf den Stuhl ihm gegenüber gelegt.
    »Darf ich mich zu Ihnen setzen?«
    Plötzlich wusste er, wer sie war – die Brieffrau – C.
    Im ersten Moment war er zu überrumpelt, um zu reagieren. Seine Gabel mit dem nächsten Bissen blieb auf halbem Wege vom Teller
     zum Mund in der Schwebe. Ihre Jugend und die Telefonstimme schienen irgendwie nicht zusammenzupassen. Er nickte und gab ihr
     mit einem Zeichen zu verstehen, dass sie sich setzen solle. Als sie ihm gegenüber Platz genommen hatte, fielen ihm ihre grünen
     Augen auf. Sie war nervös. Ihr ganzer Körper stand unter Spannung. Da überkam ihn plötzlich eine seltsame Ruhe, denn sie war
     so jung und verwirrt, und sie war real, aus Fleisch und Blut, sie saß ihm hier gegenüber und war ganz anders, als er erwartet
     hatte.
    »Ich habe ihre Stimme nicht gleich erkannt«, bekannte er.
    »Superintendent …«, begann sie, »ich … der Wecker …«
    Er winkte ab. »Wie alt sind Sie?«, fragte er beruhigend.
    »Neunzehn«, antwortete sie, und es klang wie eine Entschuldigung. Sie schob ihm den braunen Umschlag über den Tisch zu. »Superintendent,
     ich habe noch andere …«
    Er ließ den Umschlag liegen. »Du kannst mich ruhig
Oom
Johnnie nennen …«
    |159| Plötzlich trat Muna energisch und streng an ihren Tisch. »Entschuldige«, sagte sie zu dem Mädchen, das sichtlich erschrak.
     »Das hier ist ein Privattisch. Hast du reserviert?«
    October legte Muna die Hand auf den Arm. »Schon gut, meine Liebe, sie wollte zu mir.«
    »Ach so.« Muna sah das Mädchen mit neu erwachtem Interesse an. Dann fragte sie freundlich: »Möchtest du etwas zu trinken?«
    »Ein Glas Wasser, bitte.«
    Muna nickte und entfernte sich.
    »Wofür steht das ›C.‹?«, fragte October. »Wie heißt du?«
    »Das C … sollte die Abkürzung für Chronos sein ….«
    Er schenkte ihr sein nettestes, vertrauenerweckendstes Lächeln. »Chronos? Das griechische Wort für Zeit?«
    »Ja, aber so heiße ich nicht. Sie können mich Nita nennen.«
    »Gut, Nita, und jetzt entspann dich mal.«
    Sie holte tief Luft und atmete langsam aus. »Es tut mir leid. Es ist nur … ich habe noch nie … ich war noch nie in einer solchen
     Situation.«
    »In was für einer Situation?«
    »Dass ich kurz davorstand, mich jemandem anzuvertrauen. Rückhaltlos.« Sie zeigte auf den Umschlag. »Aber vielleicht sollten
     Sie … solltest du dir erst mal das hier ansehen.«
    »Ich seh’s mir gerne an. Dann holst du dir in

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