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Schwarz. Weiß. Tot.: Storys

Titel: Schwarz. Weiß. Tot.: Storys Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deon Meyer
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der Zwischenzeit etwas zu essen. Die Kabobs sind ein Gedicht. Hast du die schon
     mal probiert?«
    »Nein.«
    »Na los, dann hol dir welche. Und vergiss die Blatjang-Soße dazu nicht.« October nahm den Umschlag in die |160| Hand. Nita zögerte einen Moment, ehe sie aufstand. October sah erst in den Umschlag hinein und zog dann einige Blätter heraus.
     Computerausdrucke, allem Anschein nach.
    Pearlie kam zu ihm hinüber und flüsterte ihm aufgeregt ins Ohr: »Ist sie das Mädchen mit den Briefen?«
    »Ja«, sagte er. »Sie ist noch ganz jung.«
    Pearlie drückte die Schulter ihres Mannes. »Ich sorge dafür, dass ihr eure Ruhe habt.« Dann war sie wieder weg.
    October blickte erst hinüber zu Nita, die mit dem Rücken zu ihm stand und dabei war, sich von den Speisen zu bedienen. Dann
     konzentrierte er sich auf die Papiere und blätterte sie einmal kurz durch. Es schienen Ausdrucke von Internetseiten zu sein.
     Der erste war ein langer Beitrag mit der Überschrift:
Die Kopenhagen-Interpretation – Wahrscheinlichkeitsphysik.
Bei den übrigen Texten schien es sich um Zeitungsartikel zu handeln. Die Überschriften lauteten:
     
    Bewaffneter Raubüberfall in Potsdam: Deutsche Polizei steht vor einem Rätsel
    Munch-Gemälde erneut verschwunden
    Keine Fortschritte im Fall des Berliner Blitzüberfalls: 2 Millionen bleiben verschwunden
    Rapid-City-Rätsel immer mysteriöser
    Rapid-City-Witzbold schlägt wieder zu
     
    Er las hier und da ein paar Sätze, konnte sich aber nicht richtig konzentrieren, zu sehr beschäftigte ihn die Tatsache, dass
     sie tatsächlich gekommen war. Sie kehrte zurück auf ihren Platz ihm gegenüber, den Teller gut gefüllt. »Ich habe gar nicht
     bemerkt, was für einen Hunger ich hatte«, bemerkte sie, etwas weniger nervös.
    |161| »Das liegt aber auch an Pearlies Kochkunst, da bekommt jeder Appetit«, erwiderte er. »Und jetzt iss erst mal in Ruhe.«
    Sie nickte, rührte die Speisen aber nicht an. »Weißt du, Oom«, begann sie und deutete auf die Ausdrucke. »Es gibt noch andere,
     die dasselbe können wie ich.«
    »Was denn?«
    Mit großer Eindringlichkeit antwortete sie: »Die Zeit …« Sie holte tief Luft. »Ich kann die Zeit anhalten.« Dann seufzte sie
     lange und unüberhörbar, als sei ein quälendes Gewicht von ihr abgefallen.

5.
    Es war Viertel nach zehn abends, sie saß Superintendent John October gegenüber in Pearlies gut besuchtem Restaurant und sie
     sagte: »Die Zeit – ich kann die Zeit anhalten«, und es klang wie ein Geständnis, das sie unglaublich erleichterte.
    Sie blickte ihn an, wartete auf seine Reaktion, doch er nickte nur bedächtig und wartete auf eine nähere Erklärung.
    Sie musste seine Geste jedoch so verstanden haben, dass er ihr glaubte, denn ihre Anspannung ließ sichtlich nach. Sie griff
     zum Besteck und schnitt ein Kabob in der Mitte durch. Überrascht blickte sie das Ei an. »Cool!«, sagte sie und lächelte ihm
     fröhlich zu. »Irgendwie komisch, ich habe immer geglaubt, irgendwas würde passieren, wenn ich es je einem erzählte. Was genau
     weiß ich nicht, vielleicht, dass Glocken anfangen würden zu läuten oder ich von einem Schwarzen Loch eingesaugt würde …«
    October musterte sie und versuchte, die Widersprüche |162| in ihrer Persönlichkeit miteinander zu versöhnen. Heute Nachmittag am Telefon hatte ihre Stimme angespannt geklungen; ihre
     Wortwahl und ihr Sprachrhythmus waren erwachsen gewesen unter der schweren Last der Verantwortung, über rätselhafte Morde
     und unaussprechliche Geheimnisse Bescheid zu wissen. Eben, als sie an seinen Tisch gekommen war, hatte er dieselbe Art von
     Nervosität gespürt. Und jetzt diese plötzliche Sorglosigkeit! Es war, als habe sie sich durch ihr Geständnis von einer schweren
     Last befreit, die ihr auf der Seele gelegen hatte. Als habe sie diese Bürde endlich an einen Erwachsenen übergeben, so dass
     sie wieder neunzehn Jahre alt sein konnte.
    Das bedeutete zugleich, dass sie ernst meinte, was sie gesagt hatte, und das belastete wiederum ihn.
    Als sie den nächsten Bissen zum Mund führte, sagte er bewusst ernsthaft und vernünftig: »Du kannst also die Zeit anhalten.«
    Sie nickte. »Mm, das ist ja köstlich!«, sagte sie mit halbvollem Mund. »Sieh dir mal den ersten Artikel an«, fügte sie dann
     hinzu und zeigte mit dem Messer auf die Ausdrucke, die er aus dem Umschlag gezogen hatte.
    Er fing an zu lesen.
Die Kopenhagen-Interpretation

Wahrscheinlichkeitsphysik.
    »Das ist ein Artikel

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