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Schwarz

Schwarz

Titel: Schwarz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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fuhr in seine leicht nach Erbrochenem riechenden Jeans, das Hemd und das abgetragene Sakko. Würde man ihn daran hindern, das Krankenhaus zu verlassen, wenn er auf dem Flur gesehen wurde? Nach Aussage der Ärztin durfte er nicht gehen, solange er nicht mit der KRP gesprochen hatte. Als er das Hemd zuknöpfte, zitterten seine Hände.
    Kara starrte den bleichen Mann im Spiegel an, die schwarzen Augenringe reichten fast bis zu den Backenknochen, und die Bartstoppeln wucherten. Er fuhr sich durch die Haare, um sie etwas zu ordnen, ging zur Tür und lauschte eine Weile den Geräuschen auf dem Flur, bevor er sie öffnete.
    Draußen waren neben Krankenhausmitarbeitern auch zwei, drei Otto Normalverbraucher mit ihren Blumensträußen unterwegs; erleichtert stellte Kara fest, dass er nicht weit zu gehen brauchte, um die Station zu verlassen. Er schwankte, jetzt musste er schnell etwas Richtiges in den Magen bekommen. Im Hauptflur blieb er stehen, suchte nach dem Pfeil, der zum Ausgang wies, und erblickte die Stationsärztin, die sich nur wenige Meter von ihm entfernt unterhielt. Rasch drehte er sich um, ging schnell bis zum Ende des Flurs und sah die Aufzüge. Jetzt war er in Sicherheit.
    Im Eingangsfoyer beachtete ihn niemand, die Leute unterhielten sich leise, wie immer in Krankenhäusern, die Stimmung wirkte bedrückt. Er trat hinaus und wurde vom Sonnenlicht geblendet; es dauerte eine Weile, bis er das Taxi erkannte, das auf der Topeliuksenkatu anhielt. Ein Mann mit Gipsbein stieg aus und bemühte sich, das Gleichgewicht nicht zu verlieren. Kara erreichte das Taxi, als der Fahrer gerade Gas geben wollte.
    Er machte es sich auf dem Rücksitz bequem und beschloss, zweiTelefongespräche zu führen, bevor sich die Nachricht von seinem Abgang herumgesprochen hatte. Dieser Fahrer schien stumm zu sein, er sprach kein Wort, nicht einmal, als Kara die Adresse angab.
    »Die Gerüchte von meinem Tod sind stark übertrieben«, sagte er zu Gilbert Birou, der blitzschnell abgehoben hatte.
    »Kara, du kommst jetzt sofort nach Wien zurück und verschwindest für zwei Wochen irgendwohin«, verkündete Birou ohne Umschweife. Der Generaldirektor machte sich nicht die Mühe, Fragen zu den Ereignissen in Helsinki zu stellen oder sich nach seinem Befinden zu erkundigen.
    »Ich bin doch bereits beurlaubt. Aber wenn der Zufall es will, könnte es durchaus sein, dass ich demnächst nach Wien zurückkomme. Von dem Mordanschlag auf mich kann ich dir dann in deinem gemütlichen Büro Genaueres berichten. Oder vielleicht gehen wir zusammen essen, in irgendein angenehmes Lokal, das sich einen Michelin-Stern verdient hat. Ich lade dich ein«, erwiderte Kara, brach das Gespräch ab und fragte sich verwundert, warum er nicht anders konnte, als Birou dauernd zu reizen. Die Antwort gab er selbst: weil der Mann ein absoluter Esel war. Als Nächstes rief er Betha Gilmartin auf ihrem Handy an, das für Privatgespräche reserviert war. Es meldete sich nur die Mailbox. Kara sagte, es gehe ihm gut, und Betha solle nicht alles glauben, was sie in den nächsten Tagen über ihn zu hören bekäme.
    Kara betrachtete das Zentrum von Helsinki, das im hellen Licht der Frühlingssonne badete, und begriff erst jetzt, wie nahe er dem Tod gewesen war. Zu nahe. Er hatte nun schon das zweite Mal hinter den Vorhang geblickt und konnte sich nicht erinnern, strahlendes Licht oder tiefste Finsternis gesehen zu haben. Vermutlich stand es auf der anderen Seite auch nicht viel schlechter um die Dinge als hier, jedenfalls, was ihn anging. Legte man seine bisherigen Erfahrungen zugrunde, dann ähnelte das Jenseits seiner Stammkneipe in London, »Swag and Tails«, einem nichtssagenden Ort. Dort schien die Zeit stehengeblieben zu sein und die Gäste auch.
    In der Kaisaniemenkatu bezahlte Kara das Taxi, stieg aus und ging in »Wayne’s Coffee«. Am letzten freien Computer des Internetcafés steckte er den Stick von Katarina Kraus in den USB-Port, überflogdie darauf gespeicherten Bilder und wunderte sich. Sie hatte doch behauptet, dass diese Informationen all seine Fragen beantworten würden.
    Was zum Teufel sollte denn das Foto eines Fabrikgebäudes mitten in der Wüste verraten?

25
    Freitag, 8. Mai
    Direkt neben der stillgelegten Papierfabrik von Voikkaa strömte der Kymijoki dahin, der Fluss verlieh dem Industriegelände einen imposanten Eindruck, fand Leo Kara. Er sah die Landschaft von Kymenlaakso das erste Mal in seinem Leben. Der Taxifahrer bot sich an, ihn bis zum ehemaligen

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