Schwarz
Aber irgendwann käme die Zeit, den beiden alles heimzuzahlen. Bis dahin würde er seine Wut fürsorglich pflegen, möglichst oft an das hinterhältige Manöver von Kati und Kara denken und seinen Hass veredeln, bis er zur wohlüberlegten Rache wurde.
***
Als die Räder des »Smart for two« vor Salme Pohjalas Eigenheim in Westend zum Stillstand kamen, waren genau vierzehn Minuten vergangen, seit Kati Soisalo die Tür ihrer Kanzlei geschlossen hatte. Während der Fahrt hatte sie ihr Gespräch mit Salme und Matti Pohjala noch einmal rekapituliert. Sie konnte sich jedoch nicht erinnern, dass einer von beiden etwas Merkwürdiges gesagt hätte. An die aufgeladene Atmosphäre erinnerte sie sich hingegen sehr gut: derangespannte Gesichtsausdruck bei beiden und der Adlerblick des Sohnes, wenn seine Mutter den Mund aufmachte.
Plötzlich unterbrach ein fröhliches Kreischen sie beim Nachdenken. Sie sah, wie ein kleines Mädchen mit geblümtem Hut an der Seite ihrer Mutter hüpfte und ihre Puppe an sich drückte. Vilma wäre jetzt ungefähr in diesem Alter, sie spürte eine Sehnsucht, die weh tat. War sie wieder mit Volldampf in die Ermittlungen zu Sibirtek eingestiegen, um vor der schmerzhaften Erinnerung an ihre Tochter zu fliehen? Hatte sie so schnell vergessen, was mit Katarina Kraus geschehen war? Als sie am Vorabend bei der KRP von den Ereignissen in Voikkaa berichtet hatte, war ihr Eindruck gewesen, dass die Polizei nicht die leiseste Ahnung hatte, wer Kraus umgebracht haben könnte. Warum blendete sie aus, dass der Killer frei herumlief? Die Antwort kannte sie: Die Aufklärung des Falls Sibirtek würde bedeuten, dass Jukka Ukkola rausflog und im Gefängnis landete.
Kati Soisalo drückte auf die Klingel, die im Torrahmen des bunkerartigen Eigenheims versenkt war, und überlegte, ob es besser gewesen wäre, sich vorher anzumelden. Die Pflanzen im Garten blühten, wie hatte es Salme Pohjala nur geschafft, schon Anfang Mai so eine Farbenpracht in ihren Garten zu zaubern? Bewegte sich da etwas am Küchenfenster, oder spiegelte sich nur das Sonnenlicht in der Scheibe? Kati Soisalo klingelte noch einmal, und im selben Augenblick ging die Haustür auf, und Salme Pohjala trat auf die Schwelle.
»Sind Sie gekommen, um wieder Fragen zu Henris Arbeit zu stellen?«, rief die Frau. »Mein Sohn ist nicht da, und ich habe Ihnen letztens schon alles gesagt, was ich weiß.«
»Ich komme nicht wegen der Arbeit Ihres Mannes«, rief Kati Soisalo zurück, nur um schnell etwas zu sagen, bevor die Hausherrin die Tür wieder schloss. »Ich wollte über Sie selbst reden.«
Salme Pohjala zögerte einen Augenblick, bevor sie auf den Knopf drückte und die Tür öffnete. Kati Soisalo trat ins Haus und reichte ihr die Jacke genau wie beim letzten Mal. Sie registrierte wieder voller Bewunderung, wie fraulich die groß gewachsene, stilvoll ergraute und elegant gekleidete Frau wirkte. Der Gedanke, dass auch eine Frau über sechzig attraktiv aussehen konnte, war tröstlich.
Die Hausherrin sagte, sie gehe Kaffee kochen, und Kati Soisalohatte nichts dagegen. So gewann sie Zeit, um sich etwas einfallen zu lassen, womit sie Salme Pohjala zum Sprechen bringen konnte. Sie ging ins Wohnzimmer, setzte sich in denselben Sessel wie bei ihrem letzten Besuch und betrachtete die Gemälde an der Wand. Eines der Bilder war ein Ruokokoski, und eines stammte von Vionoja.
Salme Pohjala kam mit dem Tablett ins Wohnzimmer, deckte den Couchtisch und klagte über Rückenschmerzen. Sie erzählte, dass sie den ganzen Vormittag im Gemüsegarten gehockt hatte.
Bei der Aussicht, über Gartenarbeit plaudern zu müssen, wurde Kati Soisalo immer nervöser, damit kannte sie sich genauso gut aus wie mit Chirurgie am offenen Herzen. Ihr fiel kein einziger Zaubertrick ein, mit dem sie Salme Pohjala dazu bewegen könnte, offen über die Angelegenheiten ihres Mannes zu sprechen. Da half alles nichts, jetzt musste sie die Wahrheit sagen.
»Es ist sicher am besten, wenn ich ganz ehrlich sage, worum es mir geht. Wie ich bereits bei unserem letzten Treffen erwähnt habe, untersuche ich die Aktivitäten eines … Unternehmens namens Sibirtek in Finnland. Hoffentlich nehmen Sie es mir nicht übel, wenn ich das sage, aber ich hatte nach unserem letzten Treffen den Eindruck, dass Sie etwas verschweigen. Gehe ich recht in der Annahme, dass auch Henri Pohjala, vielleicht sogar sein Tod irgendwie mit Sibirtek zu tun hatte?«
Es überraschte sie völlig, wie die Hausherrin reagierte –
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