Schwarz
Salme Pohjala wurde rot bis über beide Ohren, setzte sacht die Kaffeetasse ab und starrte ihren Gast eine Weile mit großen Augen an.
Dann lachte sie und sagte: »Ich war schon immer der Meinung, dass Frauen intelligenter und schlauer sind als Männer. Wir besitzen die Fähigkeit, an die Sinne und Gefühle zu appellieren. Sie würden bestimmt eine hervorragende Polizistin abgeben. Wenn ich mir überlege, wie leicht Sie mich davon überzeugt haben, dass Sie nicht gekommen sind, um Fragen zu Henris Arbeit zu stellen …«
»War Sibirtek ein Teil der Arbeit Ihres Mannes?«
»Ihr Juristen klammert euch immer an Worte. Bei euch muss man aufpassen, was man von sich gibt«, erwiderte Salme Pohjala und lächelte, doch ihr Gesichtsausdruck wirkte eher besorgt, ja fast ängstlich.
»Bei meinem letzten Besuch habe ich mich gewundert, warum Sie so einen ruhigen, ja fast gleichgültigen Eindruck machten, als es um den Tod Ihres Mannes ging. Wenn ich das richtig verstanden habe, dann war sein Ende grauenhaft, allein schon die Vorstellung, im Schlamm begraben zu werden, ist furchtbar.«
Kati Soisalo schaute Salme Pohjala an, die offenbar etwas sagen wollte, aber trotzdem schweigend dasaß und ein Kissen auf ihren Schoß drückte. Hatte jemand die Frau eingeschüchtert, hatte Sibirtek ihr verboten, über die Angelegenheiten ihres Mannes zu sprechen?
»Sie sind doch nicht etwa selbst irgendwie in Gefahr? Hat man Sie bedroht?«, fragte Kati Soisalo.
»Henri passt schon auf mich auf«, antwortete Salme Pohjala und bemerkte im selben Moment, dass sie einen Fehler gemacht hatte. Sie versuchte ein Lächeln. »Henri hat mir in seinem Testament alles vermacht, Matti hat nicht einmal sein Pflichtteil verlangt. Das hatte Henri so mit dem Jungen vereinbart. Henri passt immer noch auf mich auf.«
»Ein guter Rettungsversuch, aber bei weitem nicht gut genug«, dachte Kati Soisalo. Seit Henri Pohjalas Tod waren schon anderthalb Jahre vergangen, aber Salme sprach immer noch im Präsens von ihrem Mann und versuchte auch noch, ihren Patzer wieder auszubügeln. Es war wie eine Erleuchtung Buddhas, als sich die Puzzlestücke in Katis Kopf zusammenfügten: Henri Pohjalas Probleme mit Sibirtek vor der Reise nach Afrika, sein eigenartiger Tod und die schnelle Einäscherung in Kapstadt, das merkwürdige Verhalten von Salme und Matti Pohjala und Salmes Lapsus
»Henri passt schon auf mich auf.«
»Ihr Mann lebt noch«, sagte Kati Soisalo. Das ließ Salme Pohjala die Fassung verlieren.
»Wie können Sie es wagen, eine Unverschämtheit! Damit ist dieses Gespräch beendet«, schrie sie mit hochrotem Kopf, marschierte in den Flur, nahm Kati Soisalos Jacke und öffnete resolut die Haustür.
Die beiden in der Kanzlei standen unter Hochspannung, Adrenalin schoss ihnen ins Blut. Paranoid hämmerte auf die Tastatur seines Laptops ein wie ein wildgewordener Pianist und rief Kati Zwischenmeldungen zu, wenn er etwas Interessantes fand. Mittlerweile hatteer sich erneut Zugang zum Computer von Matti Pohjala und auch zu dem seiner Mutter verschafft.
Henri Pohjala hatte seinen Tod vorgetäuscht und versteckte sich irgendwo, das wussten die beiden nun. Kati Soisalo war den Bericht Jussi Ketonens, des Ex-SUPO-Chefs, über den vom KGB in den siebziger Jahren angeworbenen »Boss« durchgegangen und hatte festgestellt, dass alles stimmte. Das i-Tüpfelchen war, dass man Pohjala schon im Teenageralter »Boss« genannt hatte. Diese Information fand sich in einem Heft über seinen Reserveoffizierslehrgang. Henri Pohjala war der Schlüssel zu den Geheimnissen von Sibirtek, der Mann, den ausfindig zu machen ihnen Jussi Ketonen empfohlen hatte.
»Salme Pohjala ist nach dem Tod ihres Mannes viermal nach Südafrika geflogen, jeweils einmal nach Kapstadt und Durban und zweimal nach Johannesburg. Legt man die Kreditkartenrechnungen zugrunde, hat sie jedoch auf allen Reisen die meiste Zeit in Kapstadt verbracht.«
»Wo hat sie gewohnt?«, fragte Kati Soisalo ungeduldig. »Vielleicht findet man Henri Pohjala dort.«
»In billigen Mietwohnungen in Melkbosstrand und Brackenfell, weit weg vom Zentrum Kapstadts, einmal im Hotel ›Ritz‹, das trotz seines Namens ziemlich preiswert ist, und zuletzt hat sie drei Wochen im superbilligen Hostel ›Ashanti Lodge‹ übernachtet. Man sollte annehmen, dass Salme Pohjala etwas mehr für die Unterkunft ausgibt, nach ihrem Konto zu urteilen ist sie zumindest nicht arm.«
»Vielleicht sind die gemieteten Buden nur ein Bluff,
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