Schwarz
dir so lange zuzuhören.«
Kara ärgerte sich, wieder einmal war er mitten in die endlosen Auseinandersetzungen zwischen Bruno und Nadine geraten. In dem Moment ließ sich einer der fünf Gäste im Straßenlokal versehentlich dazu hinreißen, nach dem Kellner zu rufen. Kara saß gespannt da und wartete darauf, wie Walter reagieren würde.
»Ich bin allein hier«, erwiderte der Ober und breitete die Arme aus, als hätte man ihm die Beköstigung von ganz Wien aufgebürdet. Murrend faltete er noch eine Weile an einem Beistelltisch Servietten, bevor er sich gnädig herabließ, den Gast aufzusuchen, der seine Ruhe gestört hatte.
Ein Stück Schnitzel nach dem anderen verschwand in Karas Mund, bis erneut sein Telefon klingelte. Diesmal war es Helen. Kara zögerte. Sollte er sich melden? Er schämte sich, Ewan war vor über zwei Wochen ermordet worden, und er hatte nur einmal mit der Witwe seines besten Freundes gesprochen. Kara entschuldigte sich bei den beiden am Tisch, stand auf und meldete sich am Telefon.
»Hallo Leo, rufe ich zu einer ungünstigen Zeit an?«, fragte Helen mit leiser Stimme.
»Entschuldige bitte, dass ich mich nicht gemeldet habe. Du kennst mich doch und weißt, dass ich einen Tunnelblick habe, ich kann mich immer nur auf eine Sache konzentrieren. Ich versuche weiterhin herauszufinden, was mit Ewan passiert ist.«
»Er wurde umgebracht«, erwiderte Helen kurz. »Und nichts bringt ihn wieder zurück. Du hast einen Fehler gemacht, als du versprochen hast, herauszufinden, was passiert ist. Oliver fragt nun ständig nach dir. Der Junge ist in einem Alter, in dem er sich nur zu gut an das erinnert, was man ihm verspricht.«
Kara spürte einen Kloß im Hals und schluckte. »Ich rufe Oliver in zwei Tagen an, einverstanden?« Um ein Haar hätte er noch hinzugefügt, dass der Mörder Ewans bis dahin möglicherweise gefunden war, aber im letzten Moment fiel ihm ein, lieber nicht zu viel zu versprechen.
»Wie geht es dir?«, fragte Kara.
Es dauerte lange, ehe Helen antwortete. »Ich versuche wahrscheinlich immer noch, mich von der Beerdigung zu erholen.«
Kara schämte sich immer mehr, er hatte zum Begräbnis nicht mal ein Beileidstelegramm geschickt. Eine schöne Art, das Andenken des besten Freundes zu ehren und die Angehörigen zu trösten. Sie unterhielten sich noch kurz über die Probleme, mit denen Helen nach Ewans Tod im Alltag zu kämpfen hatte. Dann verabschiedeten sie sich wie immer voneinander.
Kara kehrte gerade zur rechten Zeit an den Tisch zurück, um Zeuge zu werden, wie bei Bruno die Sicherung durchbrannte.
»Ich kann nicht mehr still auf einem Fleck sitzen!« Die Worte platzten aus ihm heraus, er schnellte hoch und war bereits auf dem Weg zur U-Bahn-Station Praterstern, als Nadine ihren Bissen hinuntergeschluckt hatte.
»In einer Stunde bist du wieder hier! Denk an übermorgen! Vergiss nicht, was wir ausgemacht haben«, rief sie ihrem Sohn hinterher und wandte sich dann mit verzweifelter Miene Kara zu.
»Die letzte Woche war ganz furchtbar.«
Kara lag schon auf der Zunge, dass seine Woche auch nicht geradetoll gewesen war, aber er hielt den Mund und bemühte sich, Nadine voller Mitgefühl anzuschauen.
»Am selben Abend, als du nach Finnland geflogen bist, wurde Bruno an der Metrostation Karlsplatz verhaftet. Er hat versucht Amphetamin zu kaufen. Das war zum Teil meine Schuld, weil ich wütend war und den Jungen angeschrien habe. Bruno kommt mit einer Geldstrafe davon, Voraussetzung ist aber, dass er sich einer Entzugsbehandlung unterzieht. Und das geht erst ab übermorgen. Alle Plätze waren belegt. Ich fürchte, dass Bruno nicht so lange durchhält.«
Kara nickte. »Ich verstehe. Man sollte Bruno im Prinzip heute und morgen keinen Augenblick allein lassen. Wenn er irgendwie Mist baut, bevor er zur Entziehungs . . .«
»Ich kann den Jungen doch nicht zu Hause einschließen«, unterbrach ihn Nadine verärgert mit lauter Stimme. »Und er duldet es nicht, dass ich ihm folge, wenn er in der Stadt unterwegs ist …«, fügte sie erregt hinzu. »Entschuldige. Ich wollte dich nicht anschreien, aber das ist einfach alles so … hoffnungslos.«
Kara trank sein Bier aus und schaute auf die Uhr. Das Treffen mit Birou begann in einer halben Stunde. »Wir werden uns dann also vermutlich nicht zu zweit treffen können, solange Bruno nicht in Behandlung ist«, stellte er fest.
Nadine lächelte das erste Mal seit ihrem Wiedersehen. »Wir haben doch ein bisschen Zeit, bis Bruno zurückkommt.
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