Schwarz
des Wachmanns auf den Betonfußboden und zeichnete ein nierenförmiges Muster. Der Mann lag bewusstlos auf dem Tisch der kleinen Wachstube. Oberst Abu Baabas saß auf dem Stuhl, sein seit langem lädiertes Genick schmerzte, als er die Schultern drehte, um den Monitor besser zu sehen. Er suchte auf den Bildern der Überwachungskamera im Treppenflur noch einmal die Stelle, wo der Mann mit dem schwarzen Kapuzenshirt die Treppe zu Ewan Taylors Zimmer hinaufgeht, und anschließend auf den Bildern der Hofkamera die Stelle, wo der Mann bei seiner Flucht quer über den Hof rennt und auf die Mauer klettert.
Baabas stopfte sich Khimais Twaira in den Mund, einen Snack, gebacken aus Hirsemehl mit Sesamsamen und Zucker, etwas anderes würde er heute zum Frühstück nicht bekommen. Er hatte sich die Aufnahmen der Überwachungskameras schon fast ein Dutzend Mal angeschaut. Die Sonne war vor einer Stunde aufgegangen und glühte bereits sengend heiß. Er hatte den Verdacht, dass der Eindringling in der dunklen Kleidung Leo Kara vom UNODC war: Der kräftige und ziemlich große Mann hatte einen eigenwilligen Gang, die Schritte wirkten schwer, und er schwankte ein wenig. Doch diesmal reichte ein bloßer Verdacht nicht, er brauchte hieb- und stichfeste Beweise gegen den UN-Mitarbeiter. Es ärgerte ihn ungemein, dass die Kameras das Gesicht Karas nicht erfasst hatten. Der Einbruch in eine von
Al-ijabi
versiegelte Wohnung würde als Grund für eine Verhaftung Karas ausreichen, selbst wenn er bei der UN arbeitete.
Baabas hatte beschlossen, Kara zu vernichten, der Mann stand für so ziemlich alles, was er an Menschen aus westlichen Ländern verabscheute. Der überhebliche, selbstbewusste Randalierer hatte mit dem Schlag in sein Gesicht einen großen Fehler begangen und einen noch größeren, als er ihn beschimpft hatte. Baabas wusste nicht mit Sicherheit, ob Kara Ewan Taylor getötet hatte, aber irgendwie war er in den Mord an seinem Freund verwickelt. Und das genügte. Welche Bedeutung besaß es denn schließlich, wer Taylor ins Jenseits befördert hatte? Die Hauptsache war doch, dass jemand aufgehängt wurde und er den Ruhm für die Lösung des Falles erntete. Die zügige Aufklärung eines solch wichtigen Verbrechens wäre eine enormeVitaminspritze für seine Karriere. Vorläufig war Kara der einzige ernstzunehmende Verdächtige, und die Vorgesetzten verlangten rasche Ergebnisse.
Die Situation ging Baabas auf die Nerven. Würde Kara nicht für die UN arbeiten, dann hätte er schon alle Informationen aus dem Mann herausgeprügelt, aber zurzeit musste man UN-Mitarbeiter mit Samthandschuhen anfassen. So lautete ein Befehl Rashid Osmans, des Zweiten Vizepräsidenten, der für die Sicherheitsangelegenheiten des Staates zuständig war.
Plötzlich wachte der Wächter auf. Baabas griff nach einer Eisenstange, hielt sie ihm vors Gesicht und schaute den Mann mit seinen vorstehenden Augen wütend an.
»Der Mörder gestern hat deinem Kollegen die Kehle fast von einem Ohr zum anderen aufgeschlitzt, aber dich hat er am Leben gelassen. Warum? Warst du an der Sache beteiligt?«
Der Mann schüttelte mit weit aufgerissenen Augen heftig den Kopf, und im selben Moment schwang Baabas die Eisenstange. Man hörte einen ohrenbetäubenden Schrei, der Oberst presste dem Wächter eine Hand auf den Mund und setzte das Verhör fort.
»Hast du den Mann mit der Kapuze absichtlich in die von
Al-ijabi
versiegelte Wohnung einbrechen lassen?« Baabas stellte die Frage ganz ruhig, doch eine Antwort blieb aus, weil der Kopf des Wachmannes wieder auf den Tisch krachte. Na gut, Baabas war ohnehin überzeugt, dass der Wächter nichts über den Eindringling wusste. Ein Sudanese würde es nicht wagen, einem Offizier des
Al-amn al-ijabi
ins Gesicht zu lügen, und außerdem gehörte der Mann zum Stamm der Beni Halba so wie er auch. Und die Beni Halba kannten seinen Ruf.
Es interessierte Baabas nicht im Geringsten, wer Ewan Taylor ermordet hatte. Für ihn waren die Briten immer noch ein Volk der Eroberer, obwohl man den größten Teil von ihnen aus dem Land geworfen hatte, als der Sudan in den fünfziger Jahren endlich unabhängig wurde. Etwas anderes interessierte ihn allerdings sehr: seine Karriere. Wenn hinter dem Mord an Ewan Taylor irgendjemand oder irgendetwas steckte, was dem Sudan Schaden zufügen könnte, dann musste er es herausfinden, sonst wäre seine Geheimdienstlaufbahn in Gefahr.
Baabas trat aus der Wachstube in den Sonnenschein, zündete sich eine Zigarette
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