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Schwarz

Schwarz

Titel: Schwarz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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Schal, die Rugbyhemden, die Hockeyschuhe und das Sakko, das so steif war wie eine kugelsichere Weste.
    Um Viertel vor sechs klingelte der Wecker seines Handys, und Kara hatte es nun eilig. Rasch zog er die Jeans und ein schwarzes Kapuzenshirt an. Er dachte gar nicht daran, die Hände in den Schoßzu legen und hier in seinem Zimmer darauf zu warten, dass der Oberst mit dem steifen Genick vom Aktiven Nachrichtendienst ausreichend Gründe fand, ihn wieder zum Verhör zu holen. Er wollte Ewans Aufzeichnungen in dessen Wohnung suchen und an sich bringen.
    Kara hielt es für besser, das nicht nachts in Angriff zu nehmen, weil es in Khartoum nur hier und da Straßenlaternen gab und die Glühbirnen noch dazu dauernd entwendet wurden. In den stockdunklen Gassen einer unbekannten Stadt hätte er sich nicht zurechtgefunden. Also wollte er jetzt handeln, im Schutz der etwa halbstündigen Morgendämmerung, und die würde gleich, um kurz nach sechs, beginnen.
    Am frühen Morgen war es schon warm, das Zirpen der Heuschrecken erfüllte die Luft. Ein paar Dutzend Meter vom UN-Haupt quartier entfernt begann das Reich der Dämmerung. Die Ratten und die hungrigen streunenden Hunde, die nachts die Straßen beherrschten, räumten gerade das Feld für die Frühaufsteher unter den Menschen. Nach Sonnenuntergang würden sie dann wieder die Macht übernehmen. Ein Marktverkäufer mit seinem von einem Esel gezogenen Wagen hatte es eilig, seinen Platz einzunehmen, eine Frau mit einem Wäschekorb auf dem Kopf ging vermutlich zum Waschplatz. Der Wind wirbelte den überall herumliegenden Abfall auf.
    Auf dem Weg zu Ewan Taylors Wohnung wog Kara in Gedanken seine Möglichkeiten ab. Sollte er dem Türwächter am Gästehaus den UN-Ausweis hinhalten, den er sich von einem kroatischen Polizisten geliehen hatte, und den Mann überreden, dass er ihn in Ewans Wohnung ließ? Würde der Wachmann um sechs Uhr morgens Oberst Baabas anrufen und fragen, ob er ihn an den Tatort lassen durfte? Oder wäre es besser, wenn er versuchte unbemerkt in Ewans Wohnung zu schlüpfen? Kara traf seine Entscheidung, niemand sollte etwas von seinem Besuch erfahren.
    Zwanzig Minuten später blieb Kara in der Nähe vom Gästehaus auf der Mohammed-Najeeb-Straße stehen. Er war zweimal um das Gebäude herumgegangen, nun wusste er genug. Am Eingang standen zwei Posten, einer von beiden, ein Soldat in Uniform, wachtehier möglicherweise im Auftrag von Oberst Baabas. Kara war sich sicher, dass er die drei Meter hohe Mauer ohne Schwierigkeiten überwinden könnte, und auch die Überwachungskameras im Innenhof waren kein Hindernis, aber im Treppenhaus würde es möglicherweise problematisch.
    Kara nahm Anlauf und sprintete auf die Betonmauer zu. Anderthalb Meter vorher sprang er ab, stieß eine Fußspitze reichlich einen Meter über dem Boden an die Mauer, drückte sich ab und schlug die Hände auf die Mauerkrone. Genau so hatten er und Ewan seinerzeit die Hofmauer in Winchester Dutzende Male überstiegen. Er lugte in den Innenhof, wartete, bis das Objektiv der nächstgelegenen Überwachungskamera in eine andere Richtung schwenkte, ließ sich auf den Rasen fallen und rannte zur Hauswand.
    Dort setzte er die Kapuze auf und zog die Bändel fest, so dass fast nur die Augen frei blieben. Er zerrte die Ärmel über seine Hände, ruckte an der Klinke der Haustür und fluchte. Abgeschlossen. Es fehlte nicht viel, und er hätte die Scheibe der Tür eingeschlagen, aber glücklicherweise gelang es ihm, den Impuls zu unterdrücken. Die Tür war garantiert an eine Alarmanlage angeschlossen. Er schlich zur Hausecke, spähte vorsichtig auf die andere Seite und zog den Kopf blitzschnell wieder zurück, als er das schwarze Auge einer Überwachungskamera entdeckte. Er musste warten, bis sich die Kamera wegdrehte. Eins, zwei …
    Kara lief um die Ecke herum, dann ein paar Meter an der Wand entlang, sprang ab und bekam das Metallgeländer eines Balkons im ersten Stock zu fassen. Er schwang sich hinauf, schob die Hand durch das offene Fenster und öffnete die Balkontür. Geschafft, er war drin. Regungslos verharrend, lauschte er einem Schnarchen irgendwo in der Wohnung, bis seine Augen sich an die Dunkelheit gewöhnt hatten und er den Weg zur Tür fand. Sie öffnete sich knarrend, und er schaute in den Treppenflur. Die Überwachungskamera filmte immer dieselbe Stelle, ihm blieb also nichts weiter übrig, als zu hoffen, dass der Wachmann die im Bruchteil einer Sekunde an der Kamera vorbeihuschende Gestalt

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