Schwarz
die ihr Land verkauft haben«, dachte Baabas, sagte aber: »Es ist vollkommen sicher, dass Kara irgendetwas mit den Morden zu tun hat. Er hat beim britischen Nachrichtendienst gearbeitet, er hat schon früher Gewaltverbrechen begangen und kann mit beiden Tatorten in Zusammenhang gebracht werden.«
»Lass den Mann laufen«, erwiderte der Vizepräsident und beendete das Gespräch.
Baabas fluchte. Was zum Henker war mit Osman los, warum attackierte er ihn? Vielleicht wollte der Verräter, der sich beim Westen anbiederte, ihn vor dem Internationalen Gerichtshof opfern. Irgendwann mussten Schuldige gefunden werden für das brutale Vorgehen in Darfur. Überwachte der Vizepräsident seine Arbeit? Oder vielleicht wollte Rashid Osman bei den westlichen Ländern einen guten Eindruck machen, um mit deren Hilfe an die Macht zu gelangen. Präsident al-Bashir war nicht mehr der starke, absolute Herrscher wie 1990, als er sich nach dem Angriff des Irak auf Kuwait mutig an die Seite von Saddam Hussein gestellt hatte, und wie noch vor ein paar Jahren, als er die wegen der Lage in Darfur beunruhigte UNO und die NATO gewarnt hatte, Darfur könnte für fremde Soldaten ein Massengrab werden. Jetzt schwärmten im Sudan schon fast zwanzigtausend UN-Mitarbeiter umher, von den anderen Hilfsorganisationen ganz zu schweigen. Außerdem erschwerte der Haftbefehl des Internationalen Gerichtshofs al-Bashirs Lage. Baabas vermutete, dass es nicht mehr lange dauern würde, bis irgendein junger und ehrgeiziger General oder Politiker al-Bashir stürzte.
Sein Genick knackte wie ein trockener Ast, als er sich aufrichtete.
Früher oder später würde er sich Kara doch greifen, so oder so.
Und jetzt hatte er noch Zeit für ein schnelles … Gespräch mit ihm.
6
Samstag, 25. April
Leo Kara grinste, als er sein Gesicht im Spiegel des Gästezimmers im Khartoumer UN-Hauptquartier erblickte. Seine Stirn zierte die Wunde, die ihm Baabas mit dem Gewehrkolben beigebracht hatte, seine Augen funkelten und schienen noch tiefer zu liegen als sonst, und die blonden Bartstoppeln wucherten in seinem blassen Gesicht. Die schlimmsten Spuren dürften die vierundzwanzig Stunden im Verlies von
Al-amn al-ijabi
jedoch in seinem Kopf hinterlassen haben.
So leidend hatte er das letzte Mal 1995 in London ausgesehen, als er von Polizisten verprügelt worden war. Sie hatten in der Brixton Road friedlich gegen den Rassismus der Polizei demonstriert, nachdem der sechsundzwanzigjährige dunkelhäutige Wayne Douglas kurz zuvor in einer Zelle der lokalen Polizeiwache umgekommen war. Eine Mauer von hundert Polizisten mit schwerer Ausrüstung hatte ihren Demonstrationszug gestoppt. Dann beschloss irgendjemand, Bier aus dem nächstgelegenen Laden zu klauen, und jemand anders kam auf die Idee, ein Auto anzuzünden. Bewaffnete Polizeieinheiten rückten an, einer der Demonstranten warf den ersten Stein, und die Polizisten fielen über sie her. Das Schicksal von Wayne Douglas war nicht der einzige Anlass für die Unruhen, das wusste jeder, der damals in der Brixton Road demonstrierte. Sie protestierten auch dagegen, wie schlecht die Minderheiten vom Staatsapparat behandelt wurden und wie weit sich die konservative britische Regierung vom Alltag der einfachen Menschen entfremdet hatte. Zornig trat Kara gegen die Betonwand seines Zimmers, es regte ihn immer noch auf, dass dieser Baabas mit seinem steifen Genick die Frechheit besessen hatte, ihm die Ereignisse in London vorzuhalten.
Kara stellte sich vor den Spiegel und untersuchte seinen Körper.Die Männer von
Al-amn al-ijabi
verstanden ihr Handwerk, das musste man ihnen lassen. Die Wasserfolter und die Schläge mit der flachen Hand hinterließen keine Spuren. Die Verletzungen im Gesicht hatte er sich bei der Verhaftung zugezogen. Er könnte nicht beweisen, dass er gefoltert worden war.
Der UN-Arzt hatte vorhin die Wunde in seiner Hand desinfiziert, den Verband gewechselt und ihm Schmerztabletten gegeben. Der durchstochene Handteller war von den Sudanesen überraschenderweise relativ sauber genäht und versorgt worden. Nach Ansicht des Doktors hatte die Klinge wie durch ein Wunder alle siebenundzwanzig Knochen der Hand verfehlt und nur den Thenarmuskel durchstoßen.
In Karas Kopf schwirrten die Gedanken umher wie aufgescheuchte Wespen, die Ereignisse der letzten Tage ergaben einfach kein geordnetes Ganzes. Irgendwie musste das alles aber zusammenhängen: die illegalen Raketengeschäfte, die Morde an Ewan und dem Witwenmacher und
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