Schwarz
Stelle gefeuert. Er holte tief Luft und dachte an den Schaden sowohl für die Ermittlungen zu dem Raketenanschlag als auch für den Ruf des UNODC und für seine, Birous, Karriere, den Kara inKhartoum anrichten könnte. Jetzt galt es, taktisch geschickt vorzugehen, er würde Leo Kara an einen Ort schicken, wo er niemandem im Weg wäre.
»Der britische Auslandsnachrichtendienst SIS hat bestätigt, dass die Rakete von Gigiri tatsächlich das in Finnland hergestellte Steuerungssystem namens Globeguide enthielt. Du kennst das Land und könntest durch Gespräche mit den dortigen Behörden etwas herausfinden. Und du bist vielleicht imstande, ihnen zu helfen, schließlich verfügt das UNODC über ein beachtliches Wissen in Bezug auf den internationalen Waffenhandel. Oder vielleicht weiß der Hersteller von Globeguide etwas über diese Rakete. Aber darüber reden wir dann hier ausführlicher, dein Flug geht mit einer Zwischenlandung in Kairo morgen weiter nach Wien.«
»Ich verspreche, dass ich mir die Sache überlege«, sagte Kara.
»Das ist ein Befehl«, erwiderte Birou, doch am anderen Ende der Leitung war schon ein Tuten zu hören. Er musste sich eingestehen, dass er Angst vor dem unberechenbaren Kara hatte oder vielmehr davor, was für Widrigkeiten die Aufsässigkeit des Mannes ihm als seinem Chef bereiten könnte. Genauer betrachtet war ihm nicht klar, was er an seinem Assistenten am meisten fürchtete. Kara war, um es mit einem Wort zu sagen, merkwürdig. Birou ließ sich auf sein Bett im Hotel »Millenium UN Plaza« fallen, er fühlte sich putzmunter, obwohl es in New York schon nach Mitternacht war. Der Flug über den Atlantik brachte jedesmal seine innere Uhr durcheinander.
Gilbert Birou besaß in Paris eine geräumige Wohnung im Siebten Arrondissement in der Avenue du Docteur Brouardel, er kleidete sich tagtäglich wie ein Gentleman, speiste jeden Abend im Restaurant, sammelte Pretiosen und genoss, dass es ihm vergönnt war, über die kleinsten Details seines Lebenswandels selbst zu bestimmen. Nichts und niemand würde ihn dazu bringen, Abstriche bei seinem persönlichen Luxus hinzunehmen. Den Ärger mit einem ganzen Bündel von Problemen, wie es Leo Kara darstellte, brauchte er wirklich nicht. Er hatte seinen Traumposten bekommen, weil er bei allem, was er tat, Vorsicht walten ließ, so weit wie möglich unsichtbar blieb und konsequent jedes Risiko mied.
Er musste Kara loswerden, beschloss Birou. Der Mann gefährdete seine Position und seinen Wohlstand, das alles hatte ihn zu viel Mühe gekostet, er wollte es nicht verlieren, erst recht nicht jetzt, wo die Tage als Pensionär schon in Sichtweite waren. Fisch mit Kartoffeln oder Kartoffeln mit Fisch – Birou erinnerte sich voller Abscheu an den Speisezettel in seiner Kindheit. Er spürte den Dorschgeschmack fast noch im Mund und hörte, wie sein Vater ihn aufforderte, sparsam mit dem Salz umzugehen. Rasch griff er nach dem Bericht von Zbigniew Górski, dem Khartoumer Polizeichef der UN, der lückenlos darlegte, dass Leo Kara den Mord an Ewan Taylor nicht begangen hatte. Das Dokument würde er in seinem Tresor einschließen, sobald er nach Wien zurückgekehrt war. Er brauchte jetzt etwas, was genau das Gegenteil bewies.
***
Oberst Abu Baabas saß im operativen Raum des Hauptquartiers von
Al-amn al-ijabi
, hielt den Kopf in einem Winkel von zwanzig Grad und starrte mit seinen Froschaugen ins Leere. Er hörte der Zusammenfassung seines Untergebenen zu, der die Ermittlungen zum Mord am Witwenmacher leitete, war aber in Gedanken bei dem fünfzehnjährigen Dinka-Mädchen, das er gestern aus Omdurman geholt hatte. Nur selten nahm er Handelsware selbst in Gebrauch, weil man für ein schönes Sklavenmädchen auf dem Markt einen hübschen Preis erzielte, bis zu etwa hundert Dollar, obwohl es wegen der Flüchtlinge aus Darfur derzeit ein Überangebot an Menschenware gab. Vor einigen Jahren hatte man für eine gute Sklavin fast dreihundert Dollar bekommen. Und davor, zu Beginn des Jahrtausends, waren die Preise abgestürzt, da brachte ein durchschnittliches Mädchen im besten Fall noch fünfzehn Dollar. Die westlichen Moralisten sorgten dafür, dass die Preise schwankten, indem sie Sklaven freikauften. Vermutlich bildeten sie sich ein, das Leben in den westlichen Ländern sei besser.
Baabas leitete den Sklavenhandel im Sudan erst seit vier Jahren, aber
Bilad Al-Sudan
, »Das Land der Schwarzen«, war schon seit Jahrtausenden die unerschöpfliche Sklavenquelle der
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