Schwarz
sollte. Bei dieser Kinderporno-Geschichte in Kauniainen ist etwas … Überraschendes zutage getreten«, sagte Ukkola mit stockender Stimme und legte ein Blatt Papier auf Neulamaas Schreibtisch.
Der in dreißig Jahren Polizeidienst gestählte, spröde wirkende Mann in der protzigen Uniform des KRP-Chefs wurde blass. Es sah so aus, als traute er seinen Augen nicht. Timo Neulamaa brauchte eine Weile, bis er etwas sagen konnte. »Das ist die E-Mail-Adresse meines Sohns.«
»Die fand sich bedauerlicherweise auf der Versandliste bei dieser Sache in Kauniainen«, flüsterte Ukkola.
»Es war doch so, dass damit kein physisches … Ausnutzen verbunden war. Es handelt sich nur um Fotos …«, stammelte Neulamaa und ächzte erleichtert, als Ukkola nickte.
»Wie viele Leute wissen davon?«, fragte der Polizeirat.
»Eigentlich nur ich. Ich bin mit dem Leiter der Ermittlungen das Beweismaterial durchgegangen. Als ich auf die Adresse deines Sohnes gestoßen bin, habe ich sofort gesagt, dass es sich bei diesem Verdächtigen um einen in den Kinderpornoring eingeschleusten Polizisten handelt. Ich dachte, dass dir sonst unangemessener Schaden entstünde. Sicher fällt dir irgendein Mittel ein, deinen Sohn auf etwas rücksichtsvollere Weise zu bestrafen, als es bei einem Prozess der Fall wäre. Ich habe beschlossen, dir … einem Kollegen diesen Gefallen zu tun«, sagte Ukkola.
»Das ist in der Tat eine ziemliche Überraschung … ein Schock. Ich muss erst mal überlegen, was ich in dieser Hinsicht tun soll. Wir kommen später darauf zurück«, schlug Neulamaa vor.
Ukkola verließ das Zimmer zufrieden. Das Gespräch war genauso gelaufen, wie es sollte. Neulamaa blieb nichts anderes übrig, als ihm den Posten des stellvertretenden Chefs anzubieten, der bald frei werden würde. Hilf dir selbst, dann hilft dir Gott.
***
Vom Sitz der KRP bis ins Zentrum von Tikkurila waren es nur ein paar hundert Meter, und die Sonne schien. Leo Kara hatte den ganzen Vormittag in Büros gesessen und ging deshalb nun lieber zu Fuß. Unterwegs sprach er einen Mann im Jogginganzug an und fragte, wo man hier gut essen könne. Nachdem er am Automaten in der Kielotie Geld abgehoben und dabei festgestellt hatte, dass auf seinem finnischen Konto nicht mehr viel Bargeld war, betrat er das Restaurant »Pormestari«.
Als Mittagsmenü gab es Gemüsegratin, Mandellachs oder Karelischen Fleischtopf, den Kara, soweit er sich erinnerte, bisher nur einmal gegessen hatte. Der Preis jedenfalls war in Ordnung – 8,70 Euro am Selbstbedienungsbüfett. Kara sah genau aufs Geld, da war er erblich belastet. Seine Mutter stammte aus einem Ort nahe der schottischen Grenze und sein Vater aus einer Nachbargemeinde des finnischenLaihia, das für den sprichwörtlichen Geiz seiner Bewohner bekannt war. Natürlich kaufte er auch teure Dinge, nur wollte er keinesfalls für irgendetwas zu viel bezahlen.
Nachdem Kara sich zweimal am Büfett bedient hatte, holte er sich eine Tasse Kaffee und rief Kati Soisalo an. Er berichtete ihr kurz das Neueste von den Ermittlungen und vereinbarte ein Treffen am Sonnabend, weil laut Soisalo am Freitag, dem Ersten Mai, niemand arbeitete. Kara bemerkte, dass er sich auf ihre Begegnung freute, schließlich hatte sie alles angestoßen. In gewisser Weise war sie auch schuld an Ewans Tod. Dann rief er noch Otto Mettälä an, der ihm mitteilte, er sei am Sonntag zu sprechen.
Kara holte seinen Laptop aus der Tasche, stellte ihn auf den Tisch und loggte sich über WLAN in sein Eurokonto bei der Barclays Bank ein. Das Pfund war ein Teil der britischen Geschichte, und wenn jemand beharrlich an seinen Traditionen festhielt, dann waren es die Briten. Doch auf seinen Reisen in der Eurozone hatte Kara die Vorteile der gemeinsamen Währung schätzen gelernt. Überrascht sah er, dass der Saldo 32823,37 Euro betrug, auf dem Konto dürften aber eigentlich nur etwa zweitausend liegen, seine Reisekasse. Hatte es bei der Bank oder der Gehaltszahlung durch das UNODC irgendeine Verwechslung gegeben? »Manchmal läuft es eben auch so herum«, dachte Kara, überwies zweitausend Euro auf sein finnisches Konto und schenkte dem Mysterium weiter keine Beachtung. Die Angelegenheit würde er klären, wenn er Zeit dafür fand.
Die letzte Etappe des Tages führte ihn zur finnischen Sicherheitspolizei, zur SUPO. Vor ihrem Hauptquartier in der Ratakatu stieg Kara aus dem Taxi und war überrascht, wie anspruchslos das vierstöckige Gebäude wirkte. Es sah wie ein ganz
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