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Schwarz

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Titel: Schwarz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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mitten im Sahel stattfand. Und warum musste er jedes Mal persönlich dabei sein?
    Die Nacht war kälter als gewöhnlich, und Baabas trug nur den dünnen Tarnanzug der Armee. Sein steifer Nacken schmerzte. Würde heute etwas Außergewöhnliches geschehen? Am Morgen beim Verladen der Sklaven hatte Rashid Osman ihm einen kurzen Besuch abgestattet und dabei einen nervösen und neugierigen Eindruck gemacht. Angeblich war diese Lieferung noch wichtiger alssonst. Osman hatte auch erzählt, er sei als Vizepräsident, der für die innere Sicherheit des Sudan verantwortlich war, wegen des Mordes an dem UN-Mitarbeiter in eine schwierige Lage geraten. Der Westen drängte ihn, den Schuldigen zu finden und vor Gericht zu bringen. Angeblich hatte Osman kürzlich in seiner Rede vor der UN-Vollver sammlung versichert, das Rechtssystem des Sudan entspreche vollkommen westlichem Standard. Baabas wusste, warum Osman ihm das erzählte – um die Ermittlungen zu beschleunigen. Und um ihn zu warnen, dass die Zeit bald abgelaufen war. Mit jedem Tag, der verging, war sich Baabas sicherer, dass der Liberale Rashid Osman, der dem Westen in den Hintern kroch, ihn zum Sündenbock machen wollte, falls die Ermittlungen zum Mord an Ewan Taylor nicht bald von Erfolg gekrönt wären.
    Wenigstens wärmte der Ärger etwas, Baabas zündete sich eine neue Zigarette an. Leo Kara hatte nur deshalb aus dem Sudan fliehen können, weil Osman nicht erlaubt hatte, ihn weiter zu inhaftieren. Und ohne Kara würde er die Morde an Ewan Taylor und dem Witwenmacher nie aufklären. Kara war schuldig, das wusste er, alle anderen Möglichkeiten waren jetzt ausgeschlossen. Katarina Kraus, die mit Ewan Taylor kurz vor dessen Tod im Restaurant Mittag gegessen hatte, besaß ein Alibi für den Zeitpunkt des Mordes. Die vom Täter verwendeten Black-Talon-Geschosse hatten seine Leute zurückverfolgt bis zu einem Warenposten, der 1996 von der Munitionsfabrik in Winchester an die tschechische Armee verkauft worden war. Doch das hatte die Ermittlungen auch nicht entscheidend vorangebracht. Baabas wunderte es, dass er nichts vom Generaldirektor des UNODC oder von einem internationalen Haftbefehl hörte, obwohl er die Beweise für Karas Schuld schon vor vier Tagen nach Wien geschickt hatte.
    Seine Armbanduhr piepte zum Zeichen der vollen Stunde, und Baabas spähte in Richtung Westen. Am Horizont sah man langsam größer werdende Lichtpunkte. Er wusste, dass es die Lastkraftwagen des Sklavenkäufers waren; der Mann kam immer pünktlich, und in dieser Gegend des Sahel war niemand zufällig unterwegs. Das Schauspiel, das jetzt im Gange war, wiederholte sich exakt in der gleichen Form schon seit einem Jahr. An jedem ersten Sonntag imMonat verluden die Soldaten von Baabas zweihundert junge Sklaven auf Laster und fuhren sie zu diesem gottverlassenen Ort.
    Die leuchtenden Punkte wurden größer, bis man schließlich die Motorgeräusche hörte und die Lichtkegel der Scheinwerfer erkennen konnte. Der eine russische Allrad-LKW des Käufers blieb weit entfernt von Baabas und dessen Wagen stehen, seine Aufgabe bestand darin, die Bühne zu beleuchten. Der andere ZIL hielt direkt neben Baabas, und der Fahrerkabine entstieg mit schwerfälligen Bewegungen ein riesiger schwarzbärtiger Mann. Der hellhäutige Käufer in seinen Shorts sah aus wie ein Tourist, der sich verirrt hatte. Bei dem Gedanken, dass der Mann ihn durch die Savanne scheuchte wie ein armseliges Kamel, spürte Baabas, wie sich Wut in ihm regte.
    »Ist die Fracht so, wie sie sein soll?«, fragte der Bärtige in schlechtem Arabisch und musterte die auf den offenen Ladeflächen hockenden Menschen vom Stamm der Fur, der Nuer, der Dinka und der Nuba, von denen einer dunkelhäutiger war als der andere.
    »Aber natürlich, wie immer«, antwortete Baabas und griff nach dem Stoffbeutel, den der Mann ihm reichte. Er brauchte das Geld nicht zu zählen, er wusste, dass es hunderttausend Dollar waren. Mit lauter Stimme befahl er seinen Soldaten, die Sklaven auf die Wagen des Käufers umzuladen. Das menschliche Vieh strömte im Scheinwerferlicht von einem Laster zum anderen, es sah aus, als würde ein vor Kälte fast erstarrter schwarzer Bach zäh dahinfließen. Die Sklaven schienen sich in ihr Schicksal ergeben zu haben, niemand sprach ein Wort.
    »Schaffen Sie die nach Äthiopien? Oder nach Uganda?«, erkundigte sich Baabas, obwohl er sich vorgenommen hatte, diesmal nichts zu fragen. Doch ihn plagte die Neugier. Warum kaufte jemand einmal im

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