Schwarz
Mal damit erpresst, dass man Tausende Menschen, die für die UN arbeiteten, umbringen wollte, wenn die Bedingungen nicht erfüllt wurden. Und dann musste er auch noch diese Demütigung durch die Amerikaner ertragen. Er hatte die US-Außenminis terin zu sich gebeten, um zu erfahren, was sie über den Raketenanschlag von Kenia wussten. Doch die USA waren zu einem Treffen nur unter der Bedingung bereit, dass er die Außenministerin besuchte.
Die UN-Vertretung der USA hatte ihr Quartier vorübergehend in der 45. Straße in Manhattan aufgeschlagen, da ihr Haus gegenüber dem UN-Hauptgebäude renoviert wurde. Der Generalsekretär wartete schon eine Viertelstunde im Foyer vor dem Zimmer des Leitersder Vertretung. Ließen sie ihn mit Absicht hier sitzen? Ihm war nie richtig klar geworden, weshalb die Amerikaner den jeweiligen Generalsekretär immer vor den Kopf stoßen wollten. Empfanden sie die UN als eine Art Bedrohung ihrer eigenen Weltherrschaft? Er beobachtete die Sekretärin in einem dunklen Hosenanzug bei ihrer Arbeit und stellte fest, dass Präsident Obamas Bild schief hing.
»Die Außenministerin erwartet Sie jetzt«, teilte die Sekretärin schließlich mit und hielt ihm die Tür auf.
Die elegant gekleidete Frau mit dem steinernen Gesicht saß ganz entspannt im Sessel, sie gab ihm die Hand, wartete, bis die Sekretärin Kaffee eingeschenkt hatte, und sparte sich die Vorrede. »Eine unangenehme Geschichte diese Raketendrohung, äußerst schwierig, und das in vielerlei Hinsicht.«
Unangenehm und schwierig? Der Generalsekretär wunderte sich über die Wortwahl der Außenministerin, redete sie vom Mobbing unter Schülern oder vom Ultimatum der Terroristen? »Ich wollte dieses Treffen, weil ich ziemlich im Dunkeln tappe. Der SIS, der für die Ermittlungen verantwortlich ist, will aus Angst vor Geheimnisverrat nicht einmal in den Sitzungen des UN-Sicherheitsrates über seine Ergebnisse reden, er fürchtet, dass eines der Ratsmitglieder in den Raketenanschlag verwickelt ist. Im Rat sitzen derzeit zwei islamische Staaten und zwei Länder, die auf der UN-Liste der fünfzig ärmsten Staaten stehen.«
»Ich verstehe nicht recht, wie ich da helfen könnte. Wenn die USA wüssten, wer den Anschlag begangen hat, dann würden die Schuldigen schon in einer Zelle schmachten«, erklärte die Außenministerin. »Ich weiß nicht, ob du verstehst, was für ein großes Problem das Auftauchen so einer Superrakete für die USA darstellt.«
»Ob du es glaubst oder nicht, ich verfolge die internationale Politik ziemlich genau«, erwiderte der Generalsekretär, die geringschätzige Haltung der Außenministerin ärgerte ihn. »Ihr habt in die Entwicklung eurer Raketenabwehrsysteme Hunderte Milliarden Dollar investiert, und dann feuert plötzlich jemand in der Sahara eine Megarakete ab, die weder eure derzeitigen noch eure zukünftigen Systeme vernichten können.«
Die Außenministerin wirkte überrascht und nickte. »Das ist wahr.Die USA haben in den letzten Jahrzehnten an der Entwicklung mehrerer Systeme auf der Grundlage unterschiedlicher Technologien gearbeitet, mit denen wir imstande wären, von Feinden abgefeuerte Raketen entweder schon in der Startphase, im Flug oder bei der Landung zu vernichten: Laser, Energiewaffen, Infrarot, konventionelle Abwehrraketen … Wir treffen Vorkehrungen gegen Raketenangriffe auf die USA, aber auch gegen die Zerstörung unserer Satelliten durch Raketen.«
Der Generalsekretär schaute die Außenministerin mit durchdringendem Blick an. »Steht diese Raketendrohung irgendwie in Zusammenhang mit großmachtpolitischen Interessen, mit der Militarisierung des Weltraums? Der ukrainische Waffenhändler Ruslan Sokolow, der Witwenmacher, hat die Rakete von Kenia nicht gebaut und vermutlich auch keiner der afrikanischen Staaten. Das wissen wir beide.«
»Der Wettlauf in den Weltraum ist schon in vollem Gange, genau wie die Militarisierung des Weltraums. Und diesmal gilt der Wettstreit der Eroberung des Weltraums und nicht der Frage, wessen Raketen als erste funktionieren. Alle Supermächte beschleunigen ihre Weltraumprogramme, die USA, die EU, China, Russland, Indien, sogar Japan. Neue Satellitenortungssysteme werden gebaut: Russlands GLONASS, Indiens IRNSS, Chinas Compass, Frankreichs DORIS, das Galileo der EU, Japans QZSS … Und Raketenabwehrsysteme existieren auch schon mehrere: das Raketensystem Iskander der Russen sowie der Raketenschild A-135, der die Region Moskau schützt, das Arrow der Israelis,
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