Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Schwarzbuch Kirche - Und führe uns nicht in Versuchung

Titel: Schwarzbuch Kirche - Und führe uns nicht in Versuchung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
Vom Netzwerk:
Diese verderblichen Menschen richten ihre Kräfte auf nichts anderes, als auf die Freiheit, um sich mit Luther bejubeln zu lassen. Jedes verbrecherische Mittel ist ihnen recht, um mit allergrößter Kühnheit ihr Ziel zu erreichen.«
    Sein Nachfolger Pius IX . ( 1846 – 1878 ), während dessen Herrschaft der weltliche Kirchenstaat endgültig an das neue Königreich Italien verloren ging, setzte die von seinem Vorgänger geprägte Linie der strikten Ablehnung jedweder neuen Idee durch die Kirche fort. Die auch in Rom ausgebrochene Revolution von 1848 und die daraus entstandene kurzlebige Römische Republik konnte er mithilfe von spanischen und französischen Truppen abwehren und sich dann noch zwanzig Jahre lang zumindest in Rom und der Provinz Latium als weltlicher Herrscher behaupten. Als die französischen Soldaten 1870 abgezogen wurden, weil Kaiser Napoleon III . sie zur Abwehr des preußischen Vorstoßes auf Frankreich brauchte, war es vorbei mit dem Kirchenstaat. Pius IX . weigerte sich jedoch, die neuen Realitäten anzuerkennen. Er war vom Geburtsjahrgang 1792 und damit der letzte Papst, der im Geist der alten Zeit erzogen worden war; er hatte miterlebt, wie nach dem Verlust des Kirchenstaates in den napoleonischen Kriegen und der langjährigen Haft des Papstes die Restauration erfolgt war. Er hoffte also, dass es erneut zu einer Wende käme, aus der die Kirche und das Papsttum wieder siegreich hervorgehen würden.
    Der Papst hielt es für sinnvoll, die Zeit zu nutzen, um die politisch momentan machtlose Kirche wenigstens im geistlichen Bereich aufzurüsten. Der zur Zeit der Kreuzzüge entstandene Anspruch der Kirche, über der weltlichen Herrschaft zu stehen, erfuhr eine Ergänzung, nämlich dass der Papst in allen Kirchenangelegenheiten oberster Richter und in allen Glaubensfragen unfehlbarer Lehrer sei. Diese innerhalb der Kirche seit ihrer Verkündung nicht unangefochtenen und immer wieder diskutierten Ansprüche wurden zum Dogma, zum unbestreitbaren Glaubenssatz erhoben, und jeder, der daran zweifelte, wurde aus der Kirche ausgestoßen. Doch damit nicht genug. Unter dem Titel Syllabus errorum (»Katalog der Irrtümer«) stellte Pius die Gegnerschaft der Kirche zu allen neueren politischen Entwickungen – wie Republik, Nationalstaat und die Idee der Menschenrechte – noch einmal fest. Als letzter der 80 aufgezählten Irrtümer wurde der Satz verworfen: »Der Papst kann und soll sich mit dem Fortschritt, dem Liberalismus und der modernen Kultur versöhnen und sich damit in Übereinstimmung bringen.«
     
    Fast hundert Jahre später war dann Papst Johannes XXIII . bereit, sich zumindest auf den Dialog mit der Moderne einzulassen, um die Kirche mit ihr zu versöhnen, aggiornamento nannte er das, also »auf den heutigen Stand bringen«. Aber heute, weitere 50 Jahre später, sehen wir, wie schwer sich die Kirche immer noch damit tut, wie viele Prälaten offenbar hin- und hergerissen sind zwischen der klaren Welt der alten Gewissheiten und der verurteilten Irrtümer und dem modernen Durcheinander, wie es ihnen scheint. Und die Zeit mit ihren technischen Entwicklungen und ihren gesellschaftlichen Konsequenzen – sie läuft immer schneller. Der Syllabus errorum fasst das Weltbild von führenden Kirchenmännern zusammen, die ihre geistige Prägung noch aus dem 18 . Jahrhundert bezogen; die heute an der Spitze stehenden Geistlichen, der Papst und die Kurienkardinäle, erfuhren ihre Prägung in den letzten Jahren des Zweiten Weltkriegs und den ersten Nachkriegsjahren. Da gab es weder Fernsehen noch Antibabypillen, von ganz anderen technischen und gesellschaftlichen Entwicklungen, die heute das Alltagsleben prägen, ganz zu schweigen. Die Verfassungsstruktur der Kirche sorgt dafür, dass ihre Führungsriege sich aus Klerikern zusammensetzt, die in aller Regel dann in ihre Leitungsfunktionen berufen werden, wenn sie schon recht fortgeschrittenen Alters sind und ihr Leben so gut wie ausnahmslos in Kirchenämtern, meist sogar in römischen Kirchenämtern, verbracht haben. Das garantiert der Amtskirche zwar Stabilität und schützt sie – meistens jedenfalls – vor Überraschungen. Aber der immer notwendiger werdende Prozess eines ständigen aggiornamento der Kirche wird davon massiv erschwert.
     
     

Die Krone der Schöpfung
     
    Im Jahr 1859 veröffentlichte Charles Darwin sein Buch über die Entstehung der Arten und begründete damit die Evolutionstheorie. Alle Lebewesen, Tiere und Pflanzen hätten sich

Weitere Kostenlose Bücher