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Schwarzbuch Kirche - Und führe uns nicht in Versuchung

Titel: Schwarzbuch Kirche - Und führe uns nicht in Versuchung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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ist man hinterher immer klüger. Trotzdem hätte den US -amerikanischen Bischöfen schon 1985 klar sein müssen, dass eine Vogel-Strauß-Taktik nicht weiterhelfen würde. Noch schöner wäre natürlich gewesen, wenn sich die Bischöfe aus christlicher Verantwortung für die Opfer ihrer Priester zum schnellen Handeln entschlossen hätten.
    Unter den Anwesenden bei dieser Konferenz war ein Bischof, der wegen vieler Frauengeschichten und weil er das Problem pädophiler Priester beharrlich ignorierte zurücktreten musste, ein anderer zahlte seinem früheren Geliebten 450 000 Dollar Schweigegeld aus der Bistumskasse und verlor deshalb 2002 sein Amt, ein dritter sollte als erster Bischof in den USA öffentlich des sexuellen Missbrauchs von Minderjährigen beschuldigt werden. Festzustellen ist, dass keiner der vielen Bischöfe aus den Vereinigten Staaten – ob konservativ oder liberal, ob selbst von sexuellen Anfechtungen betroffen oder im Einklang mit der Lehre ihrer Kirche lebend – es für notwendig befand, das Problem des sexuellen Missbrauchs von Kindern durch Geistliche ernst zu nehmen und diesem Missbrauch gegenzusteuern. Das Schicksal der Opfer ließ sie unbeeindruckt.
     
    Zunächst schien die Strategie des Wegsehens, des Schweigens und Vertuschens erfolgreich zu sein. In den folgenden Jahren kam es hier und da zur Verurteilung eines Priesters und gelegentlich musste ein Bistum Schadensersatz leisten. Die Öffentlichkeit nahm davon kaum Notiz. Dennoch wurden neue schwerwiegende Fälle bekannt, die Anlass zu tieferen Untersuchungen gaben. In Kalifornien wurde 1993 eine Kommission eingesetzt, die Vorwürfe des sexuellen Missbrauchs von Zöglingen der Seminarschule des Franziskanerordens in Santa Barbara prüfen sollte. Ein Pater war 1989 angeklagt und verurteilt worden, aber es gab noch mehrere ungeklärte Verdachtsfälle, die die Kommission beurteilen sollte. Im November 1993 erhielt der damalige Provinzobere der Franziskaner, Pater Joseph P. Chinnici, Post von der Kommission. Auf 77 Seiten wurde ein Skandal aufgerollt, der alles, was bisher in der Kirche der USA über sexuellen Missbrauch von Kindern bekanntgeworden war, in den Schatten stellte.
    Der Bericht stellte fest, es sei zwar nur ein kleiner Teil des Lehrpersonals darin verwickelt gewesen, dass aber »das Krebsübel in dieser Einrichtung existierte und seinen bösartigen Einfluss auf das Leben der Opfer und auch auf die Ordensprovinz der Franziskaner ausübte und noch weiter ausübt«. In Verdacht geraten waren zunächst zwei jüngere Franziskanerbrüder, der eine von ihnen hatte den Santa-Barbara-Knabenchor ins Leben gerufen und damit auch Zugang zu sehr jungen Chorsängern bekommen. Die Kommission schrieb alle 950 ehemaligen Schüler des Internats an und bat um Berichte über etwaige sexuelle Belästigungen. Es stellte sich heraus, dass die beiden in Verdacht geratenen Ordensbrüder keine Einzelfälle waren. Von den 44 Ordensleuten, die in einem Zeitraum von 23 Jahren an der Internatsschule wirkten, waren 11 zu Tätern an ihren Schülern geworden – jeder vierte Mönch in dieser Einrichtung ein Kinderschänder! 34 Opfer hatten sich gemeldet, viele von ihnen waren mehrfach missbraucht worden, manche waren auch mehreren Tätern zum Opfer gefallen.
    Dem Franziskanerbruder, der es am ärgsten getrieben hatte, konnten 18 Opfer nachgewiesen werden. Das Spektrum der Missbrauchshandlungen reichte vom Herstellen von Nacktfotos, über sexuell motivierte Berührungen, Schläge auf das nackte Gesäß, Berühren der Genitalien, Masturbation bis zu Oral- und Analverkehr. Überall im Internat konnte sich der Missbrauch ereignen, in den Schlafsälen, in den Büros der Lehrer, auf der Krankenstation oder im Freigelände. Überall, wo die Schüler einzeln angetroffen werden konnten, mussten sie damit rechnen, Opfer ihrer pädokriminellen Lehrer zu werden. Etliche Schüler wurden mit der Drohung, sonst schlechte Schulnoten zu erhalten oder die Schule verlassen zu müssen, zum Mitmachen erpresst. Andere wurden mit kleinen Gefälligkeiten oder mit Geschenken von Zigaretten oder alkoholischen Getränken gefügig gemacht. Es kamen sogar regelrechte »Beziehungen« zwischen Lehrern und Schülern vor, die sich über eine längere Zeit erstreckten, in denen das »Paar« ständig gemeinsame Aktivitäten ausübte. In vielen Fällen motivierten die Ordensbrüder ihre Schüler zum Schweigen über die Vorfälle, indem sie ihnen Schuldgefühle einimpften. Dreiundzwanzig lange Jahre,

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