Schwarzbuch Kirche - Und führe uns nicht in Versuchung
magisch anziehen.
Papst Paul VI . ( 1963 – 1978 ), der das schwierige Erbe seines sehr beliebten Amtsvorgängers Johannes XXIII . ( 1958 – 1963 ) angetreten hatte, wollte die starke Fixierung der kirchlichen ökonomischen Interessen auf Italien abbauen. Er vertraute deshalb das Amt des Präsidenten der Vatikanbank IOR einem US -amerikanischen Geistlichen an, mit dem er bereits seit 1953 persönlich befreundet war, dem späteren Erzbischof Paul Marcinkus. Marcinkus stammte aus einer armen Familie litauischer Einwanderer, hatte in den Vereinigten Staaten die Priesterausbildung durchlaufen und dann in Rom Kirchenrecht studiert. Vom Bankgeschäft verstand er nichts. Der Papst bestellte deshalb zusätzlich einen weltlichen Manager, den aus Sizilien stammenden Banker Michele Sindona, den er ebenfalls schon lange privat kannte.
Sindona, ursprünglich Rechtsanwalt, hatte seit 1946 in Mailand aus dem Nichts ein beeindruckendes Konglomerat von Banken und Industriebeteiligungen erworben, er verfügte über beste Kontakte in die USA , wo ihm die Franklin National Bank mehrheitlich gehörte. Schon Mitte der fünfziger Jahre freilich hatte er mit der Mafia zusammengearbeitet, er half der »Familie« des in New York lebenden Carlo Gambino, einem der erfolgreichsten Oberhäupter der Cosa Nostra, bei der Geldwäsche der Erträge aus dem Heroingeschäft. Später wurde er Mitglied der Freimaurerloge »Propaganda Due« von Licio Gelli, zu der hunderte von hochrangigen Militärs, Polizisten, Politikern und Bankern gehörten. Die P 2 -Loge wurde bereits Anfang der siebziger Jahre vom italienischen Dachverband der Freimaurer ausgeschlossen, weil ihre Ziele im Widerspruch zu den freimaurerischen Idealen standen. 1982 wurde sie aufgelöst und verboten.
Es ist unbekannt, ob überhaupt und wenn ja wie viel von diesen kriminellen Verstrickungen Sindonas dem Papst bekannt war. Erzbischof Marcinkus werden sie nicht lange verborgen geblieben sein, denn schon 1971 , also kurz nach seiner Ernennung zum Chef der Vatikanbank IOR , ermittelten US -Staatsanwälte gegen ihn, weil er für 14 , 5 Millionen US -Dollar gefälschte Wertpapiere in den Vatikan gebracht hatte. Aber dieser Vorfall zeitigte keine Konsequenzen, das Gespann Sindona-Marcinkus konnte seine Betrugsmanöver weiter verfolgen. Nützlich für den Vatikan war, dass die bisher in Italien gehaltenen – und damit steuerpflichtigen – Unternehmensbeteiligungen verlagert wurden und in einem undurchsichtigen Geflecht von Holdinggesellschaften und Banken, die alle in Steueroasen ansässig waren, verschwanden.
Ob sich Sindona dabei auch persönlich bereichert hat oder ob er die Vatikangeschäfte nur als willkommene Tarnung für die Mafia-Geldwäsche nutzte, ist ungeklärt. Bekannt ist dagegen, dass über Sindona und die Vatikanbank viel Geld an die italienischen Christdemokraten, insbesondere an Giulio Andreotti, Ministerpräsident von 1972 bis 1973 , floss. Andreottis Einstellung zur Kirche könnte man am ehesten als »pragmatisch« bezeichnen, hat er sie doch selbst so erklärt: »Wenn ich in die Kirche gehe, spreche ich nicht mit Gott, nur mit dem Priester, denn Gott geht nicht wählen.«
Das Trio infernale der vatikanischen Hochfinanz wurde komplettiert durch Roberto Calvi. Calvi war seit 1947 im Bankgeschäft tätig, zunächst als Angestellter der Banco Ambrosiano in Mailand, schließlich 1971 als Direktor dieses Bankhauses, das der Vatikanbank IOR gehörte. Seine fachlichen Qualitäten wurden seit 1967 von Michele Sindona für dessen Geldwäscheaktivitäten genutzt, Sindona warb ihn auch als Mitglied der Geheimloge Propaganda Due. Dem stramm antikommunistischen Programm dieser Loge entsprechend, unterstützte Calvi mit Geld der Banco Ambrosiano später die Contras in Nicaragua wie auch die Gewerkschaftsbewegung Solidarno´s´c in Polen. Das Geflecht vatikanischer Interessen wucherte, Calvi gründete in Nassau / Bahamas die Cisalpine Overseas Bank, die als Tochter des IOR und der Banco Ambrosiano vatikanischen Immobilienbesitz in Nord- und Südamerika verwaltete, sowie eine größere Zahl von Briefkastenfirmen in Panama und anderen Steuerparadiesen, über deren Konten Waffen- und Drogengeschäfte abgewickelt wurden.
Sindonas Stern sollte bald sinken. Infolge der Ölkrise von 1973 und der von ihr ausgelösten Finanzkrise konnte er den Liquiditätsbedarf seines betrügerisch finanzierten Imperiums nicht mehr decken, im Herbst 1974 gingen seine wichtigsten Firmen, die Banca Privata
Weitere Kostenlose Bücher