Schwarzbuch ÖBB
herabgesetzt, um Instandhaltungskosten zu sparen, sondern aus technischen Gründen. Die Geschwindigkeit musste auf der Basis eines Gutachtens herabgesetzt werden.
Eine verrückte Geschäftspolitik! Einerseits verschleudert man Milliarden für fragwürdige Tunnelbauten, um Strecken zu beschleunigen, andererseits spart man winzige Beträge beim Ausbau oder bei der Instandhaltung, indem man Strecken oder Streckenteile verlangsamt.
Wer bestimmt die Haltestellen?
Unsere nächste Station heißt St. Egyden. Warum halten wir bei dieser kleinen Gemeinde mit knapp 1900 Einwohnern? Und warum gibt es andererseits keinen Halt in Baden bei Wien mit mehr als 25.000 Einwohnern? Die ÖBB erklären dazu: weil es in St. Egyden nur zwei Zughalte in der Stunde gibt, in Baden aber fünf. Tatsächlich ist es jedoch so, dass die Badener über Wiener Neustadt hinaus exakt dieselben Möglichkeiten wie die St. Egydner haben: zwei!
Funkstille
Auf dem Führerstand der Lok ist ein Funkapparat, der den Kontakt zum Streckendisponenten herstellt – das ist ein ÖBB -Mitarbeiter, der ähnlich wie ein Fluglotse weit entfernt in einem Büro sitzt und die Züge überwacht und steuert.
»Unser« Funkapparat bleibt während der gesamten Fahrt stumm. Aber nicht deshalb, weil er auf »stumm« geschaltet ist, sondern weil es sich in Österreich eingebürgert hat, dass Disponenten nicht mit Lokführern reden – außer in Notfällen. Im Regelfall wird der Lokführer nur durch den Fahrplan seines Zuges und durch die Signale rot, gelb oder grün informiert.
Diese sehr eingeschränkte Form von Kommunikation verursacht laut Friedrich Z. viele unnötige Brems- und Beschleunigungsvorgänge und verbraucht daher viel Energie. Sie ist teuer und bewirkt außerdem, dass pro Stunde auf einer Strecke weniger Züge fahren können als bei besserer Disposition. Die Frage, warum es bei den ÖBB nur in Ausnahmefällen einen Funkverkehr zwischen Lokführer und Disponenten gibt, wurde von den ÖBB nicht beantwortet. Man verwies auf die Zusatzbestimmungen zur Betriebsvorschrift und auf nationale Normen.
Teure Konsequenzen
Das hat weitreichende und sehr teure Konsequenzen. Denn durch diese Art der Bahnverkehrs-Lenkung entstehen schnell »überlastete« Zugstrecken.
Wie reagieren die ÖBB darauf? Indem man auf solchen Strecken weitere Gleise dazu baut. Aus zweigleisigen Strecken werden dreigleisige oder viergleisige. Das kostet viel Geld und nützt in erster Linie wieder den Lieblingskindern der ÖBB , den Planungsfirmen und Baukonzernen.
Bei der Deutschen Bahn, sagt Friedrich Z. , sei man in dieser Hinsicht klüger. Dort geben die Disponenten dem Lokführer per Funk genaue Anweisungen. Beispielsweise ist es oft sinnvoller, rechtzeitig eine niedrigere Geschwindigkeit einzuhalten, anstatt immer wieder abzubremsen und dann schnell wieder zu beschleunigen.
Früher wurde auch in Österreich überlegter gefahren. Das hat sich jedoch laut Friedrich Z. in den letzten Jahren stark verändert. Die Disponenten seien nicht mehr so gut ausgebildet wie früher, und außerdem müssen sie heute viel mehr Züge betreuen – auf manchen Strecken bis zu vierzig gleichzeitig. Kein Mensch könne bei einer so großen Anzahl von Zügen trotz moderner Technik den Überblick behalten. Da sparen die ÖBB an der falschen Stelle, meint er.
Endstation
Kurz vor unserer Endstation Payerbach am Semmering wechseln wir wieder vom rechten auf das linke Gleis und schleichen mit 40 km/h in den Bahnhof. Hier steigen unsere letzten Passagiere aus – es sind nur wenige. Unser Zug wird hier einige Minuten warten und dann wieder nach Wien zurückfahren.
Friedrich Z. , der Lokführer und ich gehen zum anderen Ende des Zuges. Dort ist im letzten Doppelstockwagen ein Führerstand eingebaut. Damit kann der Zug in die Gegenrichtung gesteuert werden, ohne dass die Lokomotive abgekuppelt und ans andere Ende des Zuges »verschoben« werden muss. Das spart viel Zeit, Energie und Personal.
Fahrgastzahlen
Bevor unsere Rückfahrt beginnt, zeigt mir Friedrich Z. die Luftfederung an den Doppelstockwagen unseres Zuges und erklärt mir, was die Schweizer Bahn von der österreichischen unterscheidet: Die Luftfederung ermöglicht es den Schweizern, ziemlich genau zu messen, wie viele Personen sich in jedem Waggon befinden. Mit Hilfe von elektronischen Aufzeichnungen erhält man damit exakte Zahlen, wie viele Reisende einen Zug benutzen, wie viele an welchen Stationen aussteigen und zusteigen.
Damit, so Friedrich Z. , könne
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