Schwarzbuch Scientology
schwindet mehr und mehr, da der Freund und dessen Mutter, aber wohl auch die inzwischen zahlreicher gewordenen scientologischen Vertrauten sich freuen. Außerdem hat der werdende Vater nun auch noch einen Job in Aussicht. Natürlich bei einem in der Organisation gut angesehenen Mann, der seine Firma in Krisengebieten für sanitäre Versorgung hat. Ein bisschen merkwürdig findet sie allerdings schon, dass ihr Freund, der seinen Job im Nahen Osten antreten soll, auf ihren inzwischen achtmonatigen
Bauch einredet. »Als wenn das Kind ihn verstehen könnte, im Bauch«, sagt sie später. Denn er fordert seinen noch nicht geborenen Sohn auf, nun doch bitte herauszukommen, damit er abreisen kann. Hätte sie zu diesem Zeitpunkt die ganze scientologische Ideologie schon verinnerlicht gehabt, hätte sie sich nicht gewundert, dass mit dem Kind in ihrem Bauch schon gesprochen wird. Aber in dieser Weise findet sie es doch befremdlich. Die Beziehung entwickelt sich auch nach Geburt des Kindes nicht erfreulich. Sie reist mit ihrem kleinen Baby dem Vater hinterher ins heiße Kuwait. Was er dort eigentlich arbeitet, erschließt sich ihr nicht wirklich, aber er ist sich seiner Bedeutung bewusst.
Die Spannungen bleiben, sie funktioniert wohl nicht so richtig, und inzwischen machen sich auch ihre Eltern Sorgen um sie und um den kleinen Enkelsohn. Sie holen sich Hilfe, und auch Ilka hat irgendwann genug von dieser Beziehung. Der Vater zahlt keinen Unterhalt, und sie will nicht, dass ihr Sohn das gleiche Schicksal erleidet wie der Vater, scientologische Erziehung. Beide Seiten stellen Anträge um das Kind. Der Vater hat Hilfe von scientologischen Anwälten und seiner funktionierenden Mutter. Die Anhörung vor dem Familiengericht findet unter Polizeischutz statt, da der Vater Drohungen gegen die Innenbehörde in Hamburg ausgestoßen hat. Dieses hat auch zur Folge, dass er sich Ilka und dem Kind nicht nähern darf. Parallel zum Streit vor dem Familiengericht muss sie sich mit Schreiben und Anzeigen eines anderen scientologischen Anwalts auseinandersetzen, der behauptet, sie würde dem Vater ihres Kindes Gegenstände seines Eigentums
aus der gemeinsam bewohnten Wohnung vorenthalten. Auch die Polizei schaut mal vorbei, da behauptet wurde, sie halte Eigentum zurück. Der ganz normale Psychoterror rund um das Verfahren ums Kind. Der Stress bleibt nicht so einfach in den Kleidern hängen, Ilka braucht Gespräche und Stütze, um da durchzukommen. Schlecht schlafen, Ängste auf der Straße begleiten sie in dieser Zeit. Sie hat um sich herum zum großen Glück Eltern und Freunde, die bei ihr sind und bei denen sie sich mit ihrem kleinen Sohn geborgen fühlen kann. So kann man diesen Stress durch- und aushalten. Inzwischen stellt der Vater keine Ansprüche mehr, sein Besuchs- oder Umgangsrecht zu bekommen. Ob das auch damit zu tun hat, dass die Presse, wenn auch nur in einem kleinen, aber gehaltvollen Artikel vom unter Polizeischutz stattgefundenen Verfahren berichtete? Dafür spricht vieles in der scientologischen Welt. Auch für Ilka und ihren Sohn ist jetzt endlich Ruhe eingekehrt, und sie kann wieder daran denken, ihr selbstbestimmtes Leben zu gestalten. Pläne hat sie und mit ein wenig Glück und ohne scientologisch inszenierten Stress wird es auch gelingen.
Kindern sollte dieses Schicksal erspart bleiben. Lernen und leben nach Hubbards Lehren im System Scientology, mit Erziehung zum Gehorsam im System und voller Kontrolle. Alles, was für Erwachsene gilt, gilt auch für Kinder, denn, so L. Ron Hubbard:
… Ein Kind ist keine besondere Tierart, die sich vom Menschen unterscheidet. Ein Kind ist ein Mann oder eine Frau, nur noch nicht zur vollen Größe herangewachsen. Jedes Gesetz, das
für das Verhalten von Männern und Frauen gilt, gilt auch für Kinder.
(Potthoff, Norbert; Kemming, Sabine: »Scientology Schicksale. Eine Organisation wird zum sozialen Störfall«. Bergisch-Gladbach, 1998, S. 153)
Mit dieser Aussage ist dann eben auch verbunden, dass Kinder die Verantwortung für sich übernehmen müssen, egal, wie es ihnen geht, egal ob sie Wärme in einer Situation brauchen:
Ich erinnere mich an eine Situation, als ich 15 Jahre alt war. Ich hatte Probleme in der Schule und zu Hause. Ich fühlte mich alleingelassen und ungeliebt. Ich dachte sogar an Selbstmord. Ich wünschte mir, meinVater würde mich in die Arme nehmen und mir sagen, dass er mich liebt. Er tat es nicht - und ich wollte ihn auch nicht darum bitten. Schließlich fragte
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