Schwarzbuch Scientology
ich, was er machen würde, wenn ich mich umbrächte. Seine Antwort: »Das liegt allein in deiner Verantwortung,Tanya.«
(Potthoff, Norbert; Kemming, Sabine: »Scientology Schicksale. Eine Organisation wird zum sozialen Störfall«. Bergisch-Gladbach, 1998, S. 154)
Die Sea-Org
Der Drill für die Elite
Schnell mit dem Auto für das Frühstück am Wochenende auf den Markt fahren, frische Brötchen holen für sich, den Lebenspartner und den seit einigen Tagen aufgenommenen Hausgast. Nichts Ungewöhnliches. Aber die Ausfahrt aus der Tiefgarage des Wohnblocks wird behindert. Ein Auto mit dem Kennzeichen einer anderen deutschen Großstadt blockiert den Weg zur Straße. Also zurücksetzen und warten, bis der Weg frei ist. Allerdings der Wagen wird nicht weggefahren, stattdessen steigt der Fahrer aus und kommt auf die junge Frau im Auto zu, die inzwischen wieder geparkt hat und ausgestiegen ist, um wieder in die Wohnung zu gehen. Schlagartig realisiert sie, wer aus der anderen Großstadt Deutschlands den Weg zu ihrer Tiefgarage gesucht haben könnte. Richtig, die Verwandte ihres Hausgastes. Diese Person tritt dann auch massiv auf, kommt nahe an sie heran, fragt eindringlich nach dem Besuch und steht später vor der Wohnungstür. Die Person fordert Einlass und das Gespräch mit der derzeitigen Mitbewohnerin des jungen Paares in Hamburg. Das Auftreten ist aufdringlich, fordernd und unangenehm, obwohl später nicht berichtet
wird, es hätte Drohungen oder Ähnliches gegeben. Das Verhalten der Person löst Verunsicherung und Angst aus.
Überraschungsbesuche dieser Art oder ähnliche sind für Personen, die sich mit der Scientology-Organisation befassen, keine ungewöhnliche Situation. Das junge Paar hatte in seiner Wohnung eine Frau aufgenommen, damit diese nach ihrer Rückkehr aus dem schönen Kopenhagen nicht gleich wieder in ihre Wohnung ziehen musste. Das wäre sowieso erst einmal schwierig geworden, denn die Wohnung war so gut wie leer. Die Möbel verschenkt, an die Familie gegeben oder Ähnliches. Aufgelöst genauso wie der Arbeitsvertrag und alles andere vor ungefähr acht Wochen. Denn zu dieser Zeit war sie den Weg nach Kopenhagen gegangen. Die Auflösung, inklusive Verabschiedung von Bekannten wie dem jungen Paar in der Nachbarschaft, deren Katzen sie hin und wieder gefüttert hatte, war vorgegeben, da sie nicht beabsichtigte, je wieder zurückzukommen. Sie wollte nun endgültig dorthin, wohin viele Mitglieder der Scientology-Organisation streben und wo viele Eltern ihre Kinder irgendwann am liebsten unterbringen würden: in die Eliteeinheit der Organisation, die Sea-Organisation.
Die netten Nachbarn mit den Katzen hatten von der jungen Frau in der Vergangenheit erfahren, dass sie aus einem scientologischen Elternhaus stammt und sich gelöst hatte. Sie hatten sich auch etwas informiert über diese Organisation und waren deshalb alarmiert, als die junge Nachbarin verkündete, sie hätte ihren Arbeitsplatz und ihre Wohnung gekündigt, um nach Kopenhagen zu ziehen. Die Befürchtungen der Nachbarn bestätigten sich schnell, die
junge Frau hatte wieder engeren Kontakt zu ihren Eltern und Geschwistern aufgenommen und diese hatten wohl schnell die Möglichkeit erkannt, das fast »verlorene Schaf« wieder zurückzuholen. Nach den Schilderungen der jungen Frau über den nun endgültig vollzogenen Bruch nach ihrer Rückkehr aus Dänemark, hat der scientologische Familienteil sehr schnell den Kontakt zu dem früheren Auditor der jungen Frau hergestellt. Dann kam die Vermittlung an eine Mitarbeiterin aus der Europazentrale in Dänemark, in Kopenhagen, eine Mitarbeiterin der Sea-Org. War es die Sehnsucht nach der Familie? Genau ist das nicht festzustellen, aber die junge Frau lässt sich, trotz früherem Bruch mit der Organisation, sehr schnell überreden, einen so bezeichneten unverbindlichen Besuch in der Zentrale in Kopenhagen zu absolvieren. Dieser unverbindliche Besuch endet mit der Unterschrift des Vertrages mit der Sea-Organisation. Dieser Vertrag verpflichtet die Personen, für die nächsten Millionen von Jahren für die Organisation zu arbeiten.
Wieder zurück von dieser Stippvisite, aber mit geleisteter Unterschrift wird nun der Druck, den Vertrag auch zu erfüllen, stärker. Er muss so stark geworden sein, dass der Schritt, alles aufzulösen, irgendwann Ende 2004 logisch erschien.
Einmal in Kopenhagen angekommen, beginnt der Drill. Jedes Scientology-Mitglied, das in die Sea-Org aufgenommen werden möchte, muss ein
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