Schwarzbuch Wachtturmgesellschaft - der verborgene Januskopf (Will Cook und die Wachtturmgesellschaft) (German Edition)
wahrscheinlich allein schon deswegen falsch gehandelt, weil er den Rat der Gesellschaft, das Internet, wenn überhaupt, nur mit größter Vorsicht zu nutzen und Informationen von Abtrünnigen ungelesen zu lassen und sogleich in den Papierkorb zu werfen, missachtet habe. Und er, nicht etwa die von ihm kritisierte WTG, befindet sich ab jetzt in einer Verteidigungssituation, in der er sich rechtfertigen muss. Woher sonst sollte er seine kritischen Informationen erhalten haben, wenn nicht von ehemaligen Zeugen, die mit der Organisation ihre eigenen Erfahrungen gemacht haben oder aus dem Internet?
In einem zweiten Schritt wird jetzt oftmals direkt gegen den Fragesteller vorgegangen. Das bedeutet im Regelfall, dass ihm die ebenso stereotype wie unvermeidliche höchstpersönliche Frage nach seinem Verhältnis zur Organisation gestellt wird.
Ob er Zweifel hinsichtlich ihrer Eigenschaft als „alleiniges Werkzeug Gottes“ habe. Daran glaube, dass Jesus Christus sie im Jahr 1919 als seinen treuen und verständigen Sklaven anerkannt und sie eingesetzt habe. Ob er davon überzeugt sei, dass die WTG der einzige Kanal sei, auf dem Jehova seine geistige Speise ausgeben lasse und die leitende Körperschaft von seinem Geist geleitet werde.
So oder ähnlich könnte der theokratische Lackmustest aussehen, mit dem der Zweifler mit Hilfe von suggestiven Fragen in die Enge getrieben werden soll.
Er soll sich zu einer klaren Position entweder zugunsten der WTG oder zum Bekenntnis seines Zweifels an ihrer Integrität bekennen. Von der Güte, die Jesus Christus dem an seiner Auferstehung zweifelnden Thomas liebevoll erwiesen hat, ist bei den Befragungen durch WTG-loyale Älteste zuweilen keine Rede mehr. Bereits für Zweifler gibt es in der Organisation keinen Platz. Er darf in einem solchen Fall mit keiner Toleranz oder gar Entgegenkommen rechnen. Von Kritikern gar nicht zu reden.
Will sich der so Befragte weitere Probleme ersparen, kann die Antwort nur lauten, dass er aus ganzem Herzen an die göttliche Berufung der Organisation glaube. Dass er davon überzeugt sei, dass die WTG von Jesus Christus nach seiner Rückkehr im Jahr 1914 im Jahr 1919 zum treuen und verständigen Sklaven bestellt wurde. Er die Wachtturmgesellschaft als einzige und sichtbare Organisation Gottes vorbehaltlos anerkenne. Als sein alleiniges Instrument und seinen exklusiven Mitteilungskanal.
Jede andere Antwort ist falsch und führt den Delinquenten auf dem Weg zum Ausschluss nur einen Schritt weiter. Eine Grauzone, und sei es die eines aufrichtigen Zweifels, kann es in der Logik und Denksystematik der WTG nun mal nicht geben. Von der Beantwortung der ursprünglich gestellten kritischen Fragen ist spätestens in diesem Stadium des Verfahrens keine Rede mehr. Geschweige denn, dass ein Ältester im Normalfall aus eigenen Stücken dazu bereit ist, im Detail zu ursprünglichen Fragen oder Vorwürfen des Kritikers gegen die WTG Stellung zu beziehen.
Gibt der Zweifler nach und stellt seine unverbrüchliche Treue zur WTG überzeugend genug dar, wird er „zurechtgebracht“, wie es im theokratischen Sprachgebrauch der Zeugen so schön heißt und meint, dass er erneut in das vorgegebene theokratische Korsett der Gesellschaft gepresst wird. Seine Zweifel und kritischen Fragen werden in dieser verbogenen Rechtspraxis als Glaubensschwäche umgedeutet und ihm unter Umständen sogar als Säen von Zwietracht zur Last gelegt.
Das Letztere trifft vor allem dann zu, wenn er leichtfertigerweise bereits mit anderen Brüdern über seine abweichenden Gedanken oder Kritiken offen gesprochen hat. 223 Sein „unabhängiges Denken“ wird in der vorläufig letzten Phase der Ereignisse verurteilt. Demut und Gehorsam werden nunmehr von ihm gefordert. Hat er sein Reueverhalten überzeugend genug dargestellt, kommt er im günstigsten Fall unter der Bedingung, dass er weiterhin auf dem nunmehr als richtig erkannten Weg wandeln und seine Reue bekunden müsse, mit „dem erhobenen Zeigefinger“ und der Ermahnung davon, solche Sünde fortan nicht mehr zu begehen.
Im ungünstigen Fall können ihm seine Vorrechte entzogen werden. Er wird gerügt – öffentlich oder nur im kleinen Kreis – und er kann „gezeichnet“ werden. Das bedeutet, dass ein auf seinen Fall zugeschnittener Vortrag mit einem warnenden Unterton in einer der nächsten Dienstzusammenkünfte gehalten, aber sein Name nicht offen genannt wird. Was im Regelfall auch nicht nötig ist, da die Versammlung sich zumeist ohnehin
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