Schwarzbuch Wachtturmgesellschaft - der verborgene Januskopf (Will Cook und die Wachtturmgesellschaft) (German Edition)
denken kann, um wen es sich handelt. Von nun an ist er „gezeichnet“ als Zeuge, der „schwach in der Wahrheit ist.“ Er wird von den anderen solange gemieden und geschnitten, bis die Ältesten zu einer neuen Entscheidung kommen und die offizielle Stigmatisierung aufgehoben wird.
Bis dahin gilt er als schlechter Umgang für alle Angehörigen der Versammlung. Auch für seine eigene Familie ist er damit negativ abgestempelt worden. Er erfährt jetzt das „Cold-Shoulder-Treatment“, wie man es bei uns in Südafrika genannt hat. Nur mit dem Unterschied, dass diese Maßnahme offiziell getroffen worden ist. Im Unterschied zu meinem Erlebnis, bei dem meine Familie und ich ohne offiziellen Beschluss der Ältestenschaft auf diese Weise negativ abgestempelt worden sind.
Jetzt gilt es für den Betroffenen, sein „Verhältnis zu Jehova Gott wieder sichtbar in Ordnung zu bringen“, an sich zu arbeiten, häufiger und länger in den Predigtdienst zu gehen, häufiger zu beten um den Ältesten durch sein Verhalten zu beweisen, dass er „Werke zeigt, die der Reue über seine Missetat entsprechen.“ 224
Am besten messbare Werte, wie eine erhöhte Anzahl seiner Predigtdienststunden und mehr freiwillige Arbeitseinsätze.
Ein harter Parcours. Keine Überraschung daher, dass ein solches Verfahren für jeden guten Zeugen Jehovas an sich schon bereits Furcht einflößend genug ist, um diesen vor einem offen geäußerten Zweifel oder gar einem verbalen Angriff auf die Organisation abzuschrecken. Hinzu kommt, dass er in der Versammlung keinesfalls in den Ruf kommen möchte, ein Zweifler zu sein. Schon das Wort Zweifel ist ein von der WTG negativ besetzter Begriff.
Zweifel zu haben bedeutet nach dem Verständnis der WTG eine mangelnde Festigkeit im Glauben, wobei auch gern der Vergleich mit der „vom Wind getriebenen Meereswoge“ 225 bemüht wird. Und wer wollte das schon sein, ein unsteter, unentschlossener Mann, der schwach „in der Wahrheit ist“ und damit auch zur Schmach für seine Familie wird. Ein Mann, der letztendlich keinen Segen Gottes genießen wird. Zumindest, wenn es nach dem Willen der WTG geht.
Aber glücklicherweise geht es nicht nach ihr. Wiederum haben wir hier ein Beispiel dafür, wie die Wachtturmgesellschaft auf geschickte Weise die Dinge verdreht.
Sie setzt den Zweifel eines Christen an einer von Menschen geführten Organisation mit Zweifel an Gott gleich, was der Bibelschreiber Jakobus, auf den das von der WTG so gern genutzte Bibelzitat zurückgeht, keineswegs gemeint haben kann.
Zu seinen Lebzeiten gab es keine Wachtturmgesellschaft und auch der Begriff Organisation wird in der ganzen Bibel nicht ein einziges Mal erwähnt.
Sollte Gott in seinem Wort etwa vergessen haben, uns auf sein einziges, auf der Erde genutztes Instrument, sein persönliches Werkzeug, seinen von ihm autorisierten Sklaven, aufmerksam zu machen?
Trotz aller Fragwürdigkeit hat sich das beschriebene Vorgehen der WTG in ihrem Sinne in der Praxis durchgesetzt und ganz offensichtlich bewährt.
Angesichts dieser Doppelstrategie der janusköpfigen Organisation kann es daher nicht mehr wundern, dass selbst langjährige Zeugen Jehovas häufig nur hinter vorgehaltener Hand vorgeben, etwas über die negativen Seiten der Wachtturmgesellschaft zu wissen. Und dies, obwohl es für alle deutlich erkennbare und ausreichende Gründe für ernste Zweifel an den Lehren, dem Verhalten und den Prophezeiungen der WTG gibt.
Lieber findet man sich damit ab, mit den Widersprüchen zu leben. Viele Zeugen haben unter diesen Bedingungen eine Art vorauseilenden Gehorsams entwickelt und sind, ohne dazu aufgefordert oder gezwungen worden zu sein, bereit, sich freiwillig jeder Kritik und jeden Zweifels an der WTG zu enthalten und sich, wenn überhaupt, nur positiv zu äußern. Sie ziehen es manchmal sogar vor, mit einer chronisch ausgeprägten kognitiven Dissonanz 226 im Hinblick auf die Ungereimtheiten der Organisation zu leben und nehmen sogar die mit ihrem Verhalten möglicherweise einhergehenden psychischen Auswirkungen für sich selbst unter diesem Zwang in Kauf.
Der idealtypische „treue Zeuge“ ist bestrebt, sich gegen fremde Einflüsse zu schützen, indem er sich gegen jede wachtturmfremde Information wehrt, vor allem, wenn diese von „Abtrünnigen“ stammen sollte. Er beschränkt sich bei seiner Lektüre pflichtgetreu auf die Literatur der Gesellschaft, deren Umfang er ohnehin kaum bewältigen kann, verzichtet weitgehend auf die Nutzung des
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