Schwarzbuch WWF: Dunkle Geschäfte im Zeichen des Panda (German Edition)
Fleisch für die eigene Bevölkerung produzieren. Aber das stört die Regierung nicht. Denn die Einnahmen aus der Soja-Exportsteuer sind so hoch, dass sie damit Hunderttausende Argentinier am Leben halten kann, die vom Land in die Slums der Städte geflüchtet sind.«
Jorge Rulli
Ich will wissen, wie sich der WWF zu der gentechnischen Agrarrevolution in Argentinien verhält, schließlich sind nicht nur Ackerflächen, sondern auch riesige Waldgebiete für den Sojaanbau geopfert werden. Schon ist die Hälfte des Chaco-Savannenwaldes abgeholzt. Was tut der WWF, um den ökologischen Raubbau zu stoppen? Jorge Rulli verzieht schon während meiner Frage das Gesicht zu einem ironischen Grinsen: »In Argentinien ist der WWF keine Naturschutzorganisation im wörtlichen Sinn. Der hiesige WWF und Monsanto sind Arme desselben Körpers. Monsanto hat das Agrarmodell geschaffen, das unser Land beherrscht – und der WWF bemüht sich nach Kräften, es gesellschaftsfähig zu machen. Er sagt: Gensoja ist gar nicht so schlecht, man kann es sogar ›nachhaltig‹ herstellen.«
Jorge Rulli sieht mich an und ahnt, dass ich ihm nicht so recht glaube. Deshalb rät er mir, mit dem Vater des argentinischen Sojawunders Kontakt aufzunehmen. »Er gibt eigentlich keine Interviews, aber als Deutscher hast du bei ihm gute Karten.«
Dialog eines Patriarchen
Tatsächlich stimmt Dr. Héctor Laurence einem Treffen ohne Zögern zu. Er ist der Pate des argentinischen Modells: Sojaunternehmer und langjähriger Präsident des Agrarverbandes AIMA. Außerdem hat er jahrelang zwei ausländische Gentechnik-Firmen in Lateinamerika vertreten: Morgan Seeds und Pioneer, eine Tochter des Chemieriesen DuPont. Gleichzeitig war er von 1998 bis 2008 Präsident der Fundación Vida Silvestre – der argentinische Ableger des WWF. Während seiner Amtszeit machte er den WWF sozusagen zum Juniorpartner von Monsanto.
Dr. Héctor Laurence: Sojaunternehmer und langjähriger Präsident des WWF Argentinien (FVS)
Ich treffe Doktor Laurence in seinem dezenten, in Kolonialblau gehaltenen Büro an der argentinischen Prachtstraße Avenida de 9 de Julio, beste Adresse also. Der Spross einer englischen Einwandererfamilie ist ein Gentleman vom Scheitel bis zur Sohle. Obwohl nahezu gleichaltrig, wirkt er jünger als sein Widersacher Jorge Rulli. Das mag an den sorgfältig gescheitelten, nicht ergrauten Haaren liegen oder am Country-Club-Outfit: blauer Blazer, eine teure Flanellhose, der herbe Duft des Deodorants. Mit jeder seiner energischen und kontrollierten Bewegungen und mit dem stählernen Blick seiner blauen Augen gibt er zu verstehen, dass er zur argentinischen Elite zählt. »Diplomatisches Geschwätz«, so Dr. Laurence, sei seine Sache nicht. »Man muss euch Europäern klipp und klar sagen, dass ihr auf manchen Gebieten sehr rückständig seid, vor allem was moderne Technologien angeht. Ihr seid das Opfer linker Hysteriker, die die Gentechnik als Werk des Teufels denunzieren – statt auf die Wissenschaft zu hören.«
Ich versuche, möglichst neutral aus der Wäsche zu gucken und komme zur Kernfrage des Besuches: Wie hält es der WWF mit der Tatsache, dass die argentinische Erde mit Monsantos Pflanzenschutzmittel getränkt ist? Hat nicht gerade der argentinische Pharmakologe Prof. Carrasco in Laborversuchen festgestellt, dass Roundup das menschliche Erbgut schädigt? Dr. Laurence legt seine Stirn in staatsmännische Falten und denkt nach, bevor er antwortet: »Diese Versuche sind pseudowissenschaftliche Propaganda. Wenn Sie mich auffordern würden, ein Glas Roundup zu trinken oder stundenlang daran zu schnüffeln – nein danke. Das könnte mir zweifellos schaden. Andererseits – und ich habe keine direkte Beziehung zu Monsanto, das möchte ich klarstellen – andererseits ist es doch so: Wenn man sich vor den Risiken neuer Technologien fürchtet, ja, dann müsste man auch Flugzeuge und Autos verbieten.«
Er sieht mich einige Sekunden lang belustigt an und wartet, wie ich auf seinen scharfsinnigen Vergleich reagiere. Weil nichts kommt, legt er nach: »Die Romantiker jammern der alten Pampa hinterher. Das ist Unsinn. Wir Sojaunternehmer sind im Kern doch auch Landwirte, der Boden ist unser wichtigstes Kapital. Wir pflegen und bewahren ihn. Jeder kann in Soja investieren. Man braucht keine Bauern mehr, um Landwirtschaft zu betreiben. Das hat Argentinien einen gewaltigen Effizienzschub gebracht. Die Pampa erlebt eine wahre Agrarrevolution.«
Dr. Laurence
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