Schwarzbuch WWF: Dunkle Geschäfte im Zeichen des Panda (German Edition)
erzählt stolz, dass er eigens die Nationale Gentechnik-Kommission gegründet habe, damit das Volk sich mit den Segnungen dieser Technik vertraut macht. Ein bisschen Werbung für den Fortschritt sei im rückständigen Argentinien schon notwendig, denn »Monsanto hat eine schlechte PR gemacht, sodass viele Leute glaubten, bei Gentechnik werden Menschen mit Fischköpfen zur Welt gebracht oder ähnlicher Unsinn. Wir müssen Monsanto helfen, seine Produkte glaubwürdiger zu vermarkten.«
Er habe es als seine persönliche Aufgabe empfunden, Industrie und Naturschutz zu »versöhnen«. Im Jahr 2003 lud Dr. Laurence daher zum Forum der 100 Millionen ein, einem Runden Tisch zum Ausbau der Sojaindustrie. Er selbst leitete sowohl die Delegation der Naturschützer als auch die der Unternehmer. Ein Dialog mit sich selbst? Dr. Laurence muss über diese ironische Bemerkung lachen: »Es waren auch noch ein paar andere dabei, unter anderem die besten Wissenschaftler unseres Landes. Ich kannte beide Seiten der Medaille und war deshalb der richtige Mann, um einen Kompromiss zu erreichen.« Das Forum einigte sich darauf, in Argentinien den Anbau von 100 Millionen Tonnen Soja und Mais für die Energiegewinnung zuzulassen.
Ich erinnere den Meister des Dialoges daran, dass der industrielle Anbau von genmanipulierten Pflanzen große Wald- und Ackerflächen verdrängt. Auf seiner Stirn bilden sich jetzt tiefe Sorgenfalten – in seiner Seele scheint der Naturschützer mit dem Unternehmer zu ringen: »Der Verdrängungswettbewerb ist in einer freien Marktwirtschaft unvermeidlich. Deshalb mussten für unser ehrgeiziges 100-Millionen-Ziel ein paar sekundäre Wälder geopfert werden. Mehr als Wälder sind jedoch Ackerflächen betroffen; einige Produkte haben Einbußen erlitten: Sorghum, Viehzucht, Sonnenblumen oder Weizen.«
Für Monsanto war die Zustimmung der Fundación Vida Silvestre zur »neuen grünen Revolution« ein Himmelsgeschenk. Denn der Konzern kämpft seit Jahren um moralischen Beistand für seine gentechnischen Eingriffe in die Natur. Mit Schützenhilfe des argentinischen Kardinals hat Monsanto sogar versucht, den Papst im fernen Rom zu einem guten Wort über die Gentechnik zu bewegen. Vergebens, die Kirche blieb hart. Bleibt der WWF als Ersatz. Er ist schließlich auch eine moralische Instanz, deren Wort in der zivilen Gesellschaft Gewicht hat. Heute, so resümiert Dr. Laurence stolz, sei Argentinien »mit Hilfe des WWF eine grüne Weltmacht«. Das 100-Millionen-Tonnen-Ziel ist 2010 erreicht worden, aber das sei erst der Anfang: »Wir werden auf 200 Millionen verdoppeln.« Auch WWF International, so legt Dr. Laurence nach, spreche sich inzwischen für die Gentechnik aus, »dank unserer Pionierarbeit in Argentinien«.
Am Ende dieses aufschlussreichen Gespräches frage ich Dr. Laurence, was er persönlich vom Gründer des WWF Argentinien Dr. Martínez de Hoz hält: »Ich kenne und schätze ihn. Ein großartiger Mann, der seiner Nation gedient hat. Er steht zu Unrecht unter Hausarrest. Wie viele Angeklagte aus der Zeit der Militärregierung hat er nichts verbrochen, dafür lege ich meine Hand ins Feuer.«
Noch benommen von der Geschichtslektion frage ich ihn zum Abschied, ob er im Club der 1001 des WWF die Nachfolge von Martínez de Hoz antreten werde. Über das braungebrannte Gesicht des Mannes huscht ein verlegenes Lächeln, wie mir scheint: »Noch bin ich nicht gefragt worden, aber das kann ja noch kommen.« Bei so vielen Verdiensten um sein Land wäre es auch ungerecht, ihm den Aufstieg in den WWF-Adel zu verweigern.
Auf dem Soja-Highway
Am nächsten Morgen fahre ich in das Dorf Marcos Paz, westlich von Buenos Aires. Hier hat sich der ewige Rebell Jorge Rulli eine Insel des Friedens geschaffen. Er wohnt mit seiner Familie in einem ehemaligen Bauernhaus; auf dem Restland hat er sich einen Garten Eden zugelegt mit wuchernden Gemüse- und Blumenbeeten. Er hat auch Samen ausgesät, die er von seinen Reisen mitgebracht hat. In den Supermärkten, so Jorge Rulli, könne man nur noch normierte und importierte »Einheitsnahrung« kaufen. Früher gab es auf den Märkten in den Dörfern eine große Auswahl von frischem Gemüse und Obst: »Mit der Vielfalt ist es jetzt vorbei. Die Globalisierung der Nahrungsmittelindustrie führt zu einer dramatischen Verarmung in der Ernährung der Menschen.«
Uns steht eine lange und unbequeme Autofahrt bevor, immer den Soja-Highway entlang in Richtung Norden. Stündlich wird es etwas wärmer,
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