Schwarzbuch WWF: Dunkle Geschäfte im Zeichen des Panda (German Edition)
an allen Übeln der Welt geben, heute liegen die Dinge komplizierter. Schließlich haben vor allem linke Präsidenten und Politiker das Sojamodell in Lateinamerika durchgesetzt: »Selbst Lula in Brasilien hat mitgemacht, obwohl Gentechnik in seinem Land verboten war. Monsanto hat die gentechnisch veränderte Saat von Argentinien aus über die Grenzen nach Paraguay, Bolivien und Brasilien geschmuggelt und in den Nachbarländern an die Bauern verschenkt.«
Von Monsanto sei nichts anderes zu erwarten, aber die linken Regierungen hätten »Nein« sagen können. Stattdessen haben sie für Monsanto den Türöffner gespielt: »Die Linke hat sich nach ihrer Niederlage nicht zu einer ökologischen Linken weiterentwickelt, sondern sich demütig angepasst. Die Chefideologen des Sojamodells sind keine Reaktionäre, sondern Linke. Vor 40 Jahren haben sie Bomben gebastelt und damit einen Vorwand für den Putsch geliefert, heute sind sie treue Diener Monsantos. Die Geschichte schlägt eigenartige Purzelbäume.«
Gustavo Grobocopatel zum Beispiel ist heute der größte Sojaunternehmer Argentiniens. Früher sei er Kommunist gewesen und ein gern gesehener Gast in der Sowjetunion. Héctor Huergo war früher Chefideologe der Trotzkistischen Partei, mittlerweile ist er Chef der Agrarbeilage von Clarín und hat sich in den ideologischen Vordenker der Sojarevolution verwandelt: »Früher forderte er die Agrarreform und die Enteignung des Großgrundbesitzes, heute ist er der Kopf der Gegenrevolution auf dem Lande.«
Jorge Rulli hat immer noch Kontakt zu dem Genossen von damals: »Ich habe Héctor bei einer Diskussionsveranstaltung getroffen und ihn gefragt, ob er sich nicht schäme, Argentinien in eine neue Kolonie zu verwandeln, deren einzige Rolle es ist, den mächtigen Ländern des Nordens Biotreibstoffe zu liefern. Er hat mich ausgelacht und gesagt: ›Mein lieber Jorge, du bist geistig in den 70er-Jahren stehengeblieben.‹ Ich blieb ganz freundlich und sagte: Gut, wir sind in Bezug auf das Wirtschaftsmodell unterschiedlicher Meinung, aber gib wenigstens zu, dass wir unsere gesamte Artenvielfalt verlieren. Er grinste mich an: ›Artenvielfalt? Die kann man doch im Labor wiederherstellen.‹ Diese zynische Kaviar-Linke hat sich in der Regierung eingenistet und lebt dort wie die Made im Speck. Manchmal sehne ich mich nach der Militärdiktatur zurück – da wusste man, wer die Guten waren und wer die Bösen.«
In Monsantos Arm
400 Kilometer weiter westlich stoppen wir unseren scheppernden Peugeot kurz vor der kleinen Stadt Laboulaye, denn in der ansonsten leeren Landschaft haben wir einen Menschen entdeckt: Fabricio Castillos. Der Sojafarmer repariert sein defektes Sprühfahrzeug. Wie sich herausstellt, ist er selbstständiger Unternehmer mit 130 Hektar Land – und einem Liefervertrag mit dem größten Sojaunternehmer Argentiniens, Gustavo Grobocopatel. Der zahlt für die Sojabohnen, je nach Weltmarktpreis. Die Produktionsrisiken trägt allein der Bauer: »Als ich anfing, lief es prima. Monsanto hat uns das Saatgut die ersten Jahre praktisch geschenkt. Inzwischen sind die Preise kräftig gestiegen. Richtig teuer ist das Herbizid Roundup. Wir müssen immer mehr spritzen, weil das Unkraut resistent geworden ist. Ich verbrauche in diesem Jahr doppelt so viel Roundup wie vor fünf Jahren. Es rechnet sich nicht mehr.«
Ich frage naiv nach, warum er nicht einfach auf konventionelle Soja umsteigt, auch die ist am Weltmarkt noch gefragt. Der Bauer schüttelt den Kopf: »Ich bin umzingelt von gentechnisch manipulierter Soja. Sie würde mein Saatgut sofort verschmutzen. Außerdem hat Monsanto die meisten Saatgutfirmen Argentiniens aufgekauft. Man muss weit fahren, wenn man konventionelles Saatgut finden will.«
Das Grüne Gold treibt den Bauern in den Konkurs. Wenn die Sojaproduktion auch wirtschaftlich keinen Sinn macht, schafft sie sich dann nicht selbst ab? Da kann der Bauer nur lachen: »Leider nicht. Mit meinen 130 Hektar kann ich keinen Gewinn mehr machen, jemand mit 500 Hektar kann davon noch leben. Irgendwann braucht man 5.000 Hektar. Bald gehört das Land einigen wenigen Investmentgesellschaften.« Sagt es und setzt sein Sprühfahrzeug in Bewegung. Zeit ist Geld.
Von Laboulaye aus fahren wir jetzt ohne Unterbrechung fast 1.000 Kilometer nordwärts. Geschlossene Waldgebiete entdecken wir dabei nicht, nur Soja- und Maisfelder. Wo sind die »hochwertigen« Wälder, die der WWF im Dialog mit der Industrie gerettet haben will?
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