Schwarzbuch WWF: Dunkle Geschäfte im Zeichen des Panda (German Edition)
wie argentinische Pampa. Doch in Wahrheit sind die riesigen entwaldeten Flächen unter uns Sojafelder. 1500 Kilometer Flug zwischen dem im Norden gelegenen Salta und Buenos Aires bedeuten 1500 Kilometer Sojafelder. Schon die Hälfte der Ackerflächen Argentiniens ist mit dem grünen Gold bedeckt – gentechnisch verändertes Soja aus dem Hause Monsanto. Die Soja-Monokultur hat sich inzwischen auch in den Nachbarländern Brasilien und Paraguay ausgebreitet wie ein riesiges Krebsgeschwür.
Biosprit aus Soja für Europa und die USA frisst den Menschen im Süden die Ackerflächen weg – gnadenlos und indirekt unterstützt vom WWF. Unter uns fliegen kleine Sprühflugzeuge über die endlos scheinenden Felder: Sie sprühen das Herbizid Roundup von Monsanto, eine Substanz, die von Monsantos Chemikern aus Agent Orange entwickelt wurde, einer giftigen Substanz, mit der im Vietnamkrieg die Wälder entlaubt wurden, um besser Krieg gegen die Vietcong führen zu können.
Die Soja-Diktatur
Die riesigen Jacaranda-Bäume auf dem Platz San Martin haben Millionen von Blüten abgeworfen. Über den purpurnen Teppich, den sie bilden, kommt uns der Mann entgegen, der in Argentinien für seinen unerbittlichen Widerstand gegen die Sojapolitik des Landes bekannt ist: Jorge Rulli. Er blickt angestrengt nach oben, die Hand schützt die Augen vor der gleißenden Sonne. Er taxiert das Hochhaus, in dem sein einstiger Todfeind José Martínez de Hoz lebt.
Jorge Rulli ist von den Schlachten seines Lebens gezeichnet: ein kräftiger Stiernacken, die kurzgeschnittenen, schlohweißen Haare wachsen auf dem Riesenschädel kreuz und quer und gehen übergangslos in den Bart über. Verwitterte Züge, die sich tief ins Gesicht eingegraben haben – und ein durch Folter erblindetes Auge. Als Che Guevara 1967 im bolivianischen Dschungel seine Guerrilla aufbaute, wurde Jorge Rulli in Argentinien das erste Mal verhaftet und grausam misshandelt. Man wollte von ihm wissen, welche Pläne sein Lehrmeister Che Guevara für Argentinien hatte. Tatsächlich hatte der Revolutionsführer die Idee, nach Bolivien auch in seiner Heimat Argentinien das Feuer der sozialen Revolution zu entfachen. Doch die Geschichte nahm einen anderen als den von ihm geplanten Verlauf und die Antwort der alten Oligarchie war grausam: In ganz Südamerika ergriffen in den 1970er-Jahren die Militärs die Macht. Es begann eine bleierne Zeit.
Jorge Rulli wurde ein zweites Mal verhaftet, verschleppt und ein Jahr lang in einem Geheimgefängnis gefoltert. Seine Frau und seine Kinder erfuhren nicht einmal, dass er noch lebte. Später wurde er zu fünf Jahren Gefängnis verurteilt. Rachegefühle gegenüber Martínez de Hoz hat er trotzdem nicht: »Er ist einer der Hauptverantwortlichen für die Diktatur, aber es ist zu spät, ihn für seine Verbrechen zahlen zu lassen. Da oben hockt er als einsamer alter Mann mit seiner Frau und darf nicht raus – das ist Strafe genug.«
Jorge lacht über seinen grimmigen Scherz und zeigt auf die Glasfassade auf der gegenüberliegenden Seite des Platzes, hinter der die argentinische Niederlassung des Gentechnik-Konzerns Monsanto residiert. Nach Jorge Rullis Meinung ist die US-amerikanische Firma heute »die heimliche Regierung Argentiniens«. Er vergleicht sie ohne mit der Wimper zu zucken mit der Diktatur der Militärs: »Die von Monsanto durchgesetzte Monokultur ist genauso furchtbar wie die Militärdiktatur. Sie zerstört mein Land bis in die Wurzeln. Argentinien ist heute das größte Freiluftlabor für Gentechnik weltweit.«
Als erste Regierung Lateinamerikas hob die argentinische im Jahr 1996 das Verbot von gentechnisch manipulierten Pflanzen auf und ließ zu, dass über die Hälfte der landwirtschaftlichen Flächen in Sojawüsten verwandelt wurden. Argentinien ist heute der weltgrößte Lieferant von Sojaöl. Der Großteil davon wird zu Biodiesel für Europa raffiniert, der andere Teil geht als Kraftfutter für die Massentierhaltung in die USA, nach China und Europa. Die politische Klasse Argentiniens will das Land mit Hilfe von Soja schnell industrialisieren und so die öffentlichen Schulden abbauen. Aus dem Erlös des Sojadiesels fließen 35 Prozent als Exportsteuer an den Staat.
Für Rulli ist das Soja-Modell trotz der beeindruckenden Wachstumszahlen kein Erfolg: »Der Ackerboden wird durch die Chemikalien zerstört, die Kleinbauern werden vertrieben, Lebensmittel sind knapp und teuer geworden. Argentinien kann heute nicht einmal mehr genügend
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