Schwarze Blüte, sanfter Tod

alles. Aber er erklomm unmittelbar hinter den beiden das Deck der Pinocchio so schnell, daß ich Mühe hatte, hinterher zu kommen.
    Ich erkannte, daß es sich bei Tsa Ping offenbar um einen Angsthasen handelte. Er stand mit hochgereckten Armen an der Wand des Ruderhauses, obwohl ihn niemand dazu aufgefordert hatte, die Hände zu heben. Einer der beiden Polizisten durchsuchte ihn flüchtig nach Waffen, und als er keine fand, klopfte er ihm auf die Schulter: »Sie können die Hände herunternehmen!«
    Tsa Ping zitterte. Als ich ihn ansprach, konnte er nur stotternd antworten. Ich wollte wissen: »Was suchen Sie auf der Pinocchio ?«
    Obwohl ich es ahnte, wollte ich es von ihm hören, und ich wollte vor allem, daß es Bobby Hsiang hörte, der, von seinen beiden Uniformierten flankiert, neben mir stand.
    Â»Ich ... es war nicht meine Idee ...«
    Â»Hat Sie der Chef hierher geschickt?«
    Er schwieg.
    Â»Sparen Sie uns allen Zeit! Es war der Niugini-Mann, den Ihr Chef, Mister Victor Choi aus Macao, hierher schickte, damit er Ihnen einen Auftrag übermittelt. Wir werden den Krauskopf bald haben, also verzögern Sie die Sache nicht!«
    Ganz plötzlich, als habe man einen Hebel betätigt, stotterte er los: »Ich ... s ... sie ist a ... a ... augenblicklich sowieso nicht ... n ... nein, das hätte ich n ... n ... niemals gekonnt ...«
    Da schaltete sich Bobby Hsiang auf eine Weise ein, die unweigerlich lautes Gelächter bei mir ausgelöst hätte, wäre es mir nicht im letzten Augenblick noch gelungen, mich zu beherrschen. Bobby fragte den Zitternden nämlich, seinen Sprechart nachahmend: »U ... u ... und wer ist u ... unten?«
    Er deutete mit dem Daumen in den Aufgang.
    Â»Die Frau«, gab Tsa Ping zurück, diesmal ohne zu stottern. Was Bobby nicht hinderte, seinerseits die Komödie weiterzuspielen, obwohl die beiden Polizisten bereits grinsten wie die Spaßmacher in der Oper.
    Â»U ... und was hä ... hä ... hätten Sie nicht gekonnt?«
    Â»Mister«, bat ihn Tsa Ping todernst und in klarer Sprache, »machen Sie sich bitte nicht noch lustig über mich! Mein Chef, Mister Choi, hat da etwas von mir verlangt, das mich in einen teuflischen Konflikt stürzte. Die Frau unter Deck sollte ich nach Big Wave Bay fahren. Nur diesen kleinen Törn. Und dort an Land bringen ...«
    Â»An Land bringen?«
    Â»Ja, an Land.«
    Â»Und umbringen?«
    Â»Nein! Sie auf eine Bank am Strand setzen, ihr die Handfesseln und die Fußfesseln aus Plastik abnehmen, auch das Heftpflaster über dem Mund ...«
    Â»Und dann erschlagen?« Bobby ließ nicht locker.
    Â»Nein!« Er schrie es fast. »Sie einfach dort sitzenlassen und mit der Pinocchio abfahren. Bis spätestens früh in Macao sein, die Pinocchio an Mr. Chois Steg festmachen und mit dem Hydrofoil zurück nach Hongkong fahren.«
    Bobby sah mich an und tippte an die Stirn: »Der hat was an der Krone!«
    Aber ich gewann langsam eine Vorstellung von dem, was hier nach dem Willen von Victor Choi hatte laufen sollen, und ich sagte nur noch schnell zu Bobby:
    Â»Der hat nichts an der Krone!« Dann flitzte ich zum Aufgang und kletterte die Stufen abwärts.
    Eine Sekunde dachte ich daran, daß ich nicht einmal eine Waffe bei mir hatte, aber ich kam gar nicht dazu, mir Sorgen darüber zu machen, denn da unten, im Salon, bequem in einen Sessel gelehnt, blickte mich Mrs. Choi an.
    Sie erinnerte nicht an eine Bürgermeisterin, wie sie hinter dem riesigen Heftpflaster, mit dem ihr Mund verklebt war, voller Zorn »Hmmm ... Mmmmh ... Ummmh ...« brummte.
    Handgelenke und Fußknöchel waren mit diesen modernen Plastikbändern zusammengezurrt, die sich nicht mehr öffnen ließen, wenn sie einmal bis zum Ende festgezogen waren. Nur durchschneiden konnte man sie. Und genau das tat ich jetzt. Als letztes blieb mir, das Pflaster zu entfernen.
    Ich erwartete, daß Mrs. Choi danach das »Hmmm« und »Mmmmph« durch deftiges Schimpfen ersetzen würde, täuschte mich aber. Nachdem ich das Pflaster mit einem beherzten Zug abgerissen hatte, gab sie weder einen Schmerzlaut noch einen Fluch von sich, sagte lediglich: »Danke!«
    Und nur weil mir Dank von Damen immer etwas peinlich ist, guckte ich, um die Verlegenheit zu überbrücken, auf das Pflaster in meiner Hand und überlegte, ob ich es in die Ecke feuern oder als Beweisstück für die