Schwarze Blüte, sanfter Tod
Bobby zu sprechen, uns im Abstand von jeweils zehn Minuten über die Fahrtrichtung zu informieren. Auf keinen Fall dürfe der Insasse des Autos aus Hongkong entkommen.
Bobby steckte das Ding wieder weg und bemerkte kopfschüttelnd: »Zur Not könntest du die halbe Polizei des Territoriums ersetzen. Deine Anweisungen hören sich an, wie die des obersten Chefs. Was soll das?«
Ich gab mir Mühe, ihm zwischen einem Hühnerbein und einer Schale sauer angemachter Muscheln zu erläutern: »Der Kerl ist der Kronzeuge, Bobby, und ich glaube, Victor Choi weià genau, was er da macht. Zuerst sorgt er dafür, daà sein Bruder tot umfällt, dann bringt er dessen Frau auf die gleiche Weise ums Leben, das heiÃt, er versucht es wenigstens, aber das alles macht er nie selber, er läÃt es einen Fremden tun, mit Mitteln, die dieser Fremde beherrscht. Und zuletzt ist dieser Fremde dann verschwunden. Ende. Eine Anklage gegen Victor Choi wäre lächerlich, wenn Krausköpfchen entkommt!«
»Du meinst diesen Insulaner?«
»Ja, den.«
»Und wie soll der verschwinden, bitte?«
Ich erinnerte ihn: »Drüben in Kowloon, im Frachthafen liegen jede Menge Schiffe, von denen alle Augenblicke eins in eine andere Richtung ausläuft. Wetten, daà die Fahrt dahin geht?«
»Ich wette nicht mit dir.« Nach einiger Zeit machte er gedämpft: »Aha!« Fischte sich eine Muschel und gab die Weisheit von sich: »Wenn er dort erst einmal auf einem Kahn verschwunden ist, können wir uns schlafen legen.«
Er schmatzte. Wischte sich die Finger an dem feuchten Tuch ab, das der Wirt brachte. Es trug den Aufdruck »Silver Bird«.
»Sehr schön, Mister«, sagte Bobby zu dem grinsenden Wirt. Dann aber wandte er sich an mich: »Du muÃt mir, um deine Genialität zu beweisen, nur noch zwei kleine Dinge erklären. Warum hat Victor Choi diese Teufelei ausgeheckt? Und â wohin soll dieser Fremde verschwinden?«
Ich erklärte ihm: »Laà dir mal von Eingeweihten sagen, wieviel Millionen Dollar das Gesamtvermögen des alten Tycoons Choi beträgt. In der ganzen Welt verteilt. WeiÃt du, daà die Pekinger ihn neben Tung Chee Hwa in der engeren Wahl für den Chef der ersten Regierung Hongkongs nach der Eingemeindung hatten?«
»Ich kann dir beides beantworten«, gab Bobby zurück. »Die Dollarzahl ist zweistellig. Und für den Posten, den die Pekinger da vergeben, ist er zu alt.«
»Aber reich genug, daà sich drei zukünftige Hinterbliebene jetzt schon gegenseitig des Erbes wegen umzubringen versuchen!«
»Eben«, sagte Bobby seelenruhig zwischen zwei Muscheln. »Das ganze ist eine Erbschaftsintrige. Eigentlich hätte ich gar nichts damit zu tun, wenn es nicht diesen Toten aus Shanghai gäbe!«
Er grinste mich entwaffnend an. Im selben Augenblick jaulte sein Handy wieder. Er hörte zu, dankte und sagte: »Beinahe wäre von den drei zukünftigen Erben tatsächlich nur einer übriggeblieben.«
»Beinahe? Haben sie die Frau retten können?«
»Noch nicht ganz.« Er hatte Tee bestellt, der jetzt kam. Nach dem ersten Schluck stellte er fachmännisch fest: »Ist kein Tuocha.« Dann: »Wir fahren besser wieder zur Klinik ...«
Wir tranken die Tassen trotzdem noch in Ruhe aus, und als wir am Tang Shiu Kin ankamen, stand da der Toxikologe vor dem gläsernen Eingang und saugte wie verzweifelt an einer Zigarette.
Er trug noch weiÃes Zeug und eine Kappe auf dem Haar. Als er uns kommen sah, machte er ein Gesicht wie ein Fischhändler auf dem Markt, der von einem Kunden, der ihn besucht, ganz genau weiÃ, daà er an seiner Ware etwas auszusetzen haben wird. Aber immerhin gab er uns auf Bobbys Frage Auskunft: »Wenn sie nicht an dem Kaffee eingeht, den sie in den nächsten Tagen hier kriegt, wird sie es überleben.«
»Ihr habt es tatsächlich geschafft?«
Der Toxikologe warf einen miÃtrauischen Blick auf die blaue Bastos -Packung, die Bobby erleichtert aus der Tasche zog, und als er mit dem Feuerzeug einen der Stinker in Brand setzte, trat der Medizinmann vorsichtshalber einen Schritt zurück.
Er war müde, man sah es. Und vermutlich würde er mindestens die Hälfte des kommenden Arbeitstages verschlafen. Die zweite Hälfte, denn inzwischen war es hell geworden, der Morgen war nicht mehr nur eine Hoffnung.
Der Mann rià immer wieder die Augen
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