Schwarze Blüte, sanfter Tod
Yon noch jemand anderes merkte das.
Für Mrs. Hsu Kwan, die Galeristin in der Hollywood Road, hatte ich mir auch etwas ausgedacht, womit ich den Bodensatz des Tümpels, in dem sich die Fische versteckten, die nach dem Erbe Yueh Po-chais schnappen wollten, weiter aufrühren wollte.
Der junge Mann, der sich in der an ein Hotelfoyer der moderneren Art erinnernden Halle vor mir verbeugte, machte trotz seiner aufgetragenen Höflichkeit den Eindruck, daà er einen Gegner mit ein bis zwei Schlägen töten könnte. Aber er gab sich Mühe, die Zähne auf eine Art zu fletschen, daà man das für ein gewinnendes Lächeln halten konnte.
»Fragen Sie mich nicht nach einem Termin, ich habe mich darauf verlassen, sie aus dem Flugzeug anzurufen, aber da haben sie mir mein Handy versiegelt â rufen Sie sie an, bitte! Mister Lim Tok ist da, Prokurist der Arte International, die ihre Präsentationen in ganz Europa macht, neuerdings auch in den ehemals nicht zugänglichen Staaten des Ostens, wo die Leute im wesentlichen Plakate aus den verschiedenen Revolutionen gezeigt bekamen, vielleicht ein Glas Wodka dazu ... Sie verstehen ...« So seifte ich den Lächler ein, und das tat ich in gestochenem Mandarin , ohne Punkt oder Komma. Es sollte wirken wie ein Maschinengewehr, und das tat es auch. Als ich endlich Luft holen muÃte, entnahm ich aus seiner ebenfalls in Mandarin erfolgenden Erwiderung, daà er keinesfalls aus Hongkong oder aus Kanton stammte.
Er bat mich um etwas Geduld. Griff in die Tasche und sprach über sein Handy offenbar mit der Vorzimmerdame der Chefin, und die muÃte aus Hongkong sein, denn er verständigte sich mit ihr ziemlich holprig auf Kantonesisch, er würde einen Herrn aus dem Mutterland heraufschicken, der sich leider nicht ...
»Danke, danke!« Er war noch nicht ganz durch mit seiner Mitteilung, da flitzte ich schon zum Paternoster, neben dem ich das Schild entdeckt hatte, auf dem stand, daà Mrs. Hsu Kwan in der siebzehnten Etage residierte, gleich unter dem Dachgarten.
Die Vorzimmerfee war kein Problem. Ich zischte wie ein Wirbelwind auf die Dame im Minirock zu und beglückwünschte sie zu dem einmaligen Erlebnis, mich höchstpersönlich kennenzulernen, ausnahmsweise würde ich ihr ein Autogramm geben, für den Fall, daà sie es nicht gerade auf Papier haben wollte, dann auch ...
Ich war gerade dabei, ihre Frage nach meinem Termin bei ihrer Chefin mit dem Hinweis darauf zu ersticken, daà man Autogramme von so berühmten Persönlichkeiten wie ich eine war, jetzt nicht mehr so oft auf dem Knie, sondern mit Permanentstift geschrieben, gleich unterhalb des Nabels zu tragen pflegt, und zwar so, daà der Ring, der denselben möglicherweise schmückt, sozusagen in seiner Wirkung durch die exklusive Unterschrift geradezu veredelt wird, woraus er auch immer besteht: »Wissen Sie, die Bräuche haben sich da sehr interessant gewandelt, beispielsweise der gute Jackson ...«
Da öffnete sich die gepolsterte Tür zum Chefzimmer, und eine distinguierte Lady sagte nach einem kurzen Blick auf mich: »Das genügt jetzt. Bitte ...!«
Dabei wies sie mit der Hand in ihr Zimmer.
Meine Belustigung, daà es mir mit einem der ältesten Standardtricks gelungen war, bis zum Ziel meines Besuchs vorzudringen, wich der Verblüffung, in die mich die Erscheinung von Mrs. Hsu Kwan versetzte.
Wenn Sie glauben, da stand eine dieser europäisch getönten Emanzen vor mir, irren Sie. Sie irren auch, wenn Sie vermuten, die Dame machte den Eindruck einer Gangsterbraut aus unserem Hongkonger Filmreservoir â nein, ich brauchte ein paar Sekunden, um zu registrieren, was ich da überfallen hatte.
Mrs. Hsu Kwan war nicht nur so schlank wie die klassischen chinesischen Schönheiten auf unseren alten Rollbildern. Sie trug ihr langes Haar ebenso zu einem züchtigen Knoten im Nacken geschlungen, wie man es auf den Abbildungen des Hofstaates der Ming-Kaiser in den Museen findet. Keine Schminke. Nicht einmal Lippenstift, konstatierte ich. Nicht die Spur eines Parfüms. Und der Cheongsam, der ihre Figur wie ein Futteral aus teurem, dunkelblauen Stoff umhüllte, hatte zwar den verführerischen Seitenschlitz bis über das Knie, aber dafür umschloà ein Stehbündchen den Hals so züchtig, daà nur ein Windhund wie ich auf die Idee kommen konnte, ein tiefer Ausschnitt wäre in der Lage, einen tibetischen
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