Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schwarze Blüte, sanfter Tod

Schwarze Blüte, sanfter Tod

Titel: Schwarze Blüte, sanfter Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harry Thürk
Vom Netzwerk:
unangemeldeten Eindringen nicht einfach hinauswerfen ließen! Ich bin Ihnen sehr verbunden!«
    Sie machte keine Anstalten, mir etwa die Hand zu geben. Ich ging, mich abermals verbeugend, zur Tür und verließ den Raum.
    Die Sekretärin saß kniefrei vor dem Computer. Auch vor ihr verbeugte ich mich wie zum Dank mehrmals, wobei ich still für mich bis zehn zählte. Dann griff ich mir an den Kopf, murmelte etwas, das mir just in dieser Sekunde einzufallen schien und riß die Polstertür zu Mrs. Hsu Kwans Zimmer noch einmal auf.
    Â»Ich vergaß völlig, Ihnen zu sagen, wie verdienstvoll ich es finde, daß Sie eine Ausstellung mit den Werken einer Khmer-Künstlerin veranstalten ... ich mußte Ihnen das unbedingt noch sagen: meine höchste Anerkennung dafür!«
    Sie saß da, mit dem Telefonhörer am Ohr, und sah genau so aus wie jemand, der in der nächsten Sekunde einen Mord begehen wird.
    Ich ließ es nicht darauf ankommen, und ich verschwand mit der Gewißheit, daß man versuchen würde, mir die Neugier auszutreiben, mit der ich hinter der San-Tien-Hui-Gang her schnüffelte. Aber um genau das zu erreichen, hatte ich ja Mrs. Hsu Kwan aufgesucht. Einen Gegner, der sich erfolgreich unsichtbar macht, kann man erst erkennen und bekämpfen, nachdem er sich aus der Dunkelheit ins Licht bewegt hat. Möglichst wütend, das erleichtert die Sache.
    In der Kam Fong 23, hatte Bobby Hsiang mir gesagt, läge die Behausung des toten Killers Ba Kwon, den wir zu einem Verschwundenen gemacht hatten, damit seine Auftraggeber etwas zum Rätseln hatten.
    Ich wählte die Abendstunden für meinen Besuch. Erfahrungsgemäß gab es um diese Zeit in einer solchen Wohngegend wie der nahe der Westküste, an der Ferrry Road, weniger aufmerksame Augen als sonst. Wer ein Zuhause hatte, hielt sich darin auf. Wer gerade von der Arbeit kam, gab sich nicht lange mit der Umgebung ab. Die Penner, und auch die stillen Beobachter, die jemand postiert haben konnte, pflegten in der Zeit – jedenfalls kannte ich das von der Polizei noch – ein paar Dim Sum essen zu gehen, eine billige Fischmahlzeit, oder einen Hamburger.
    Yau Ma Tai, an der Westkante Kowloons, war die Gegend, die sich in den letzten Jahren vielleicht am meisten verändert hatte. Ich erinnere mich noch an meine Kindheit, da hatte es hier im Taifunschutzhafen unzählige Hausboote gegeben, auf ihnen ein Treiben, wie es die Hollywood filmer immer wieder über die ganze Welt als Alt-China verbreiteten.
    Tankas nannte man die Leute, die ihr Leben auf dem Wasser verbrachten und meist von dem lebten, was das Meer ihnen an Fischen und Krabben bescherte. Hier war bei mir schon damals die Idee entstanden, einmal auch so zu leben. Wenngleich die Geschichte für mich etwas anders verlaufen war. Aber immerhin lebte ich ja heute auch auf dem Wasser, allerdings auf einer vergleichsweise komfortablen Dschunke in Aberdeen, und ich versorgte meinen Kühlschrank nicht so sehr mit geangelten Fischen, eher mit Steaks, die ich an Land kaufte. Oder die Pipi mitbrachte.
    Tankas gab es heute kaum noch, jedenfalls hier. Diese ältesten Bewohner der Landseite waren in alle Winde zerstreut. Glück hatte man, wenn man den einen oder den anderen von ihnen noch weiter westlich, in Sha Tin wiederfand, wo die Stadtchefs versucht hatten, die an die Freiheit der See gewöhnten Leute in Neubauten anzusiedeln. Ein Projekt, das eine tragische Ähnlichkeit mit der Schaffung der Indianerreservate in den Vereinigten Staaten hatte.
    In der Hauptsache lagen alle diese Veränderungen daran, daß der Plan gereift war, Hongkong einen neuen, leistungsfähigeren und besser anzufliegenden Airport zu geben – Chek Lap Kok, nordöstlich der Insel Lantau, wo Boden in unvorstellbarer Menge aufgeschüttet wurde. Durch den Westen von Yau Ma Tai zog sich seither die mehr oder weniger fertige breite Trasse, die der Zufahrt zu diesem neuen Flughafen dienen sollte.
    Ganze Regionen des Strandes waren neu aufgeschüttet worden. Riesenschrapper hatten wahrhafte Berge von Sand und Erde dorthin bewegt, wo einst die Tankaboote gelegen hatten, diese Massen waren dann flachgestampft, betoniert, mit neuem Oberflächenzierat versehen worden, der die alte Natur vergessen ließ: Schnellstraßen, Leitplanken, Ampeln, Lichtmasten, Leitungen ... und neue Häuser hatte man gebaut, auf dem neuen Land, das man dem Meer gestohlen hatte.
    Jetzt

Weitere Kostenlose Bücher