Schwarze Blüte, sanfter Tod
seinen Klapptisch noch aufgebaut, weil um diese Zeit die Gäste von den Musikdampfern heimwärts aufbrachen und an ihm vorbeizogen. Gelegentlich war da noch ein Geschäft zu machen. Heute bot der clevere Lausejunge alte chinesische Pornografie an. Nicht echt, natürlich, aber sehr talentiert nachgemacht, auf handgeschöpftem, künstlich gealtertem Papier, so daà zumindest jeder ausländische Narr überzeugt war, die Chinesen hätten alles das, was es da so zu sehen gab, schon tausend Jahre früher praktiziert als die beiden Ãbeltäter aus der christlichen Legende, die wegen artverwandter Ungehörigkeiten aus dem Reservat vertrieben worden waren, das die einen fortan den Garten Eden nannten, und die anderen das Paradies. (Womit sie übrigens nicht etwa die Kneipe in Wanchai meinten, die ein unternehmungslustiger Engländer so getauft hatte, weil seine Bühnenshow die Künstler im Urzustand zeigte, sozusagen Menschen vor der Erfindung der Textilien.)
»Was gibts?« erkundigte ich mich. Der Taxifahrer saà unweit des Standes in seinem Gefährt und beobachtete mich, wie mir schien, argwöhnisch.
»Gehen Sie nicht auf Ihre Dschunke!« riet mir Lum. »Oder haben Sie dort Besuch erwartet?«
»Besuch auf meiner Dschunke? Nein!«
»Es war ein Motorboot. Tuckerte bis an den Steg. Drei Mann. Erkundigten sich beim Eier-Ma, welches Ihre Dschunke sei. Der zeigte sie ihnen. Bevor er seinen Stand zumachte, sagte er mir Bescheid. Ich solle Sie informieren. Zwei von den drei Männern müssen auf Ihrer Dschunke sein. Der dritte verschwand mit dem Motorboot hinter den Musikdampfern ...«
Da hatte ich etwas zu überlegen. »Kannst du mir Geld pumpen?« ging ich Lum an. Der grinste. Zog ein Bündel Scheine aus der Hosentasche und hielt es mir hin.
Ich verständigte mich mit dem Taxifahrer über den Preis, steckte ein paar Scheine ein und versprach Lum, er würde in meinen Memoiren rühmend erwähnt werden, abgesehen von prompter Rückzahlung, sobald ich mein Eigentum zurück hatte. Dann lieà ich mich zu meinem Büro in der nicht weit entfernten Cameron Street fahren, entlieà den Taxifahrer, nachdem ich ihn bezahlt und mein Hackebeilchen zurückbekommen hatte. Und fand in unserem gemeinsam gemieteten Raum den guten Wu, der sich als Bewährungshelfer durchschlug, schlafend auf der Couch vor.
Er richtete sich schlaftrunken auf und bestaunte mich, weil er nicht gewohnt war, daà ich so heruntergekommen aussah. Aber als ich gleich zum Telefon griff, dachte er, daà ich sowieso keine Zeit für Erklärungen hätte, und schlief prompt wieder ein.
»Wenn du um diese Zeit anrufst, steht dir das Wasser am Kinn«, vermutete Bobby Hsiang. »Was ist es diesmal?«
Nachdem er gehört hatte, was mir widerfahren war, verlangte er: »Du bleibst, wo du bist. Wir sehen uns auf deiner Dschunke um. AnschlieÃend komme ich zu dir ...«
Was blieb mir übrig, als mich in einen der nicht sehr bequemen Sessel zu pflanzen und dem Schnarchen von Bewährungshelfer Wu zu lauschen?
Ich muÃte allerdings dabei auch langsam ins Reich der konfusen Träume abgerutscht sein, denn als mich Bobby Hsiang weckte, war ich gerade dabei gewesen, mit Marietta Moreano anzustoÃen, auf ein neues Lied, das sie â mit einem Hackmesser in der Hand â nur für mich gesungen hatte.
Deshalb wohl sagte ich auch, als Bobby mich endlich unter den Wachen hatte, noch etwas abwesend: »Das Hackebeilchen ist besser als der Song ...«
Das Instrument lag auf dem Schreibtisch, und Bobby betrachtete es nachdenklich, nahm es dann auf, untersuchte es auf Blutspuren, bis ich ihm meine Geschichte zu erzählen begann, bei der er mehrmals die Augen verdrehte.
Als Wu auf der Couch sein Schnarchen unterbrach und sich verwirrt erkundigte, ob er vielleicht gebraucht werde, schlug ich ihm vor: »Du kannst mich bei der mexikanischen Sängerin vertreten, die ich gerade angemacht hatte. Sieh zu, ob du sie rumkriegst ...«
Er drehte sich beleidigt auf die andere Seite.
Bobby hielt mir zwei Polaroidfotos hin. Auf jedem war der Kopf eines Mannes abgebildet.
»Kennst du die?«
»Nie gesehen«, sagte ich wahrheitsgemäÃ.
»Wir haben ihnen eingeredet, wir suchen den Besitzer der Dschunke, einen gewissen Lim Tok. Und weil sie keine Ausweise bei sich hatten, aber jeder eine sechsschüssige Python in der Tasche, haben wir behauptet,
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