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Schwarze Blüte, sanfter Tod

Schwarze Blüte, sanfter Tod

Titel: Schwarze Blüte, sanfter Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harry Thürk
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die man in jeder chinesischen Küche findet. Die Köche zerkleinern damit Rüben und Kohl, ja selbst für Fleisch nehmen sie nicht etwa ein Messer – nein, das Beilchen ist ihr Liebling.
    Es dauerte ein paar Minuten, dann hatte ich das Ding mit meinen auf dem Rücken gefesselten Händen gepackt und manipulierte die Schneide an die Plastikfessel. Es ging nicht ohne eine geringfügige Schnittwunde am linken Handgelenk ab, doch die Schärfe der Stahlschneide hatte das Plastik sehr schnell bezwungen.
    Mit dem Hackmesser als Waffe in der Hand schlich ich auf das verdreckte Fenster zu. Es führte auf eine Gasse. Da gab es auch eine Laterne, und in ihrem Schein erkannte ich trotz des Drecks auf der Scheibe, daß die Öffnung nicht vergittert war. Das Fenster hatte sogar einen Drehverschluß, der sich bewegen ließ.
    In dem Augenblick, in dem ich ihn öffnete, wurde mir bewußt, daß es schon die ganze Zeit, in der ich auf dem Gang war, in der modderigen Kellerluft die unverwechselbare Spur eines Duftes gab, der nicht hierher gehörte, den ich aber kannte.
    Nach draußen lauschend, blieb ich vor dem geöffneten Fenster stehen. Auf der Gasse zeigte sich niemand. Ein paar Räder waren abgestellt. Für Autos war sie zu schmal. Wie ich die Gegend in Erinnerung hatte, stand ich im Keller an der Rückfront des Suzie Wong , und das erwies sich als richtig, denn in diesem Augenblick setzte in dem Gebäude, das ich gerade durch das Kellerfenster kriechend verließ, wieder Musik ein. Jetzt war sie besser zu hören. Ein Saxophonist schmetterte Tuxedo Junction. Ich trabte los.
    Aus der Gasse heraus, stand ich auf der noch schwach belebten Soy Street. Ich schien ungefährdet zu sein, als ich mich umblickte, entdeckte ich in der Gasse keinen Verfolger. Warum nur hatte der Typ die Tür aufgeschlossen und war dann gegangen?
    Später, als ich ruhiger nachdenken konnte, fiel mir plötzlich ein, daß der feine Geruch, den ich auf dem Kellergang in der Nase gehabt hatte, Obsession gewesen war. Und jetzt erinnerte ich mich auch, daß ich das Parfüm zuletzt im Suzie Wong gerochen hatte, als Madame Moreano mir die Ehre erwies, ein Glas Sekt mit mir zu trinken. Genauer gesagt mehrere Gläser.
    Da, wo die Soy Street in die Nathan Road mündete, gab es auf der einen Straßenseite ein Kino, das gerade eine Legion Leute ausspie. Gegenüber eine Post. Die war zwar geschlossen, aber hier standen einige Taxis.
    Ich verhandelte mit dem ersten besten Fahrer: »Hören Sie, man hat mich ausgeraubt, ich habe weder Ausweis noch Geld. Ich wohne auf einer Dschunke in Aberdeen. Wenn Sie mir bis dahin vertrauen, bekommen Sie den doppelten Preis. Ich kann es als Spesen abrechnen ...«
    Er äußerte sich nicht gleich. Deutete auf das Hackmesser, das ich immer noch in der Hand hielt, ohne es gemerkt zu haben: »Hat wohl nichts genutzt, wie?«
    Ich gab ihm das Ding. Er steckte es in die Türtasche an seiner Seite.
    Â»Aberdeen?«
    Ich sah mich um. Aber da war immer noch kein Verfolger zu sehen.
    Â»Tun Sie mir den Gefallen und fahren Sie ab!« drängte ich trotzdem. Er setzte wieder sein Grinsen auf, drückte aber den Starter und bog in den Verkehr südwärts ein.
    Â»Wie lebt es sich auf einer Dschunke?« wollte er an der nächsten roten Ampel wissen.
    Ich erwiderte: »Besser als in jedem Luxushotel!«
    Darauf sagte er lange nichts. Erst beim nächsten Stau warf er mir einen mitfühlenden Blick zu und äußerte die Vermutung: »Auf den Kopf haben Sie bei dem Überfall auch was abgekriegt, wie?«
    In einem solchen Falle nickt man am besten. Das tat ich auch, aber ich sagte vorsichtshalber noch: »Das mit der Dschunke stimmt wirklich. Alles eine Frage der Gewöhnung. Und das Hackmesserchen hat mir vielleicht das Leben gerettet, ohne daß ich damit jemanden verletzen mußte ...« Worauf er mir einen kurzen Blick zuwarf. Von der Art, in der man jemanden anguckt, von dem man eben gemerkt hat, daß er bei der Verteilung von Kopfinhalt etwas wenig abbekommen hat.
    Lum war da, als wir nach einer unendlich scheinenden Fahrt in Aberdeen ankamen. Und Lum winkte mir aufgeregt, als ich aus dem Taxi kletterte und gerade nach einem Wasserflitzer Ausschau hielt, der mich – und meinetwegen auch den Taxifahrer, falls er mißtrauisch war – zu meiner Dschunke bringen könnte.
    Der kleine Alleskönner und Allesverkäufer hatte

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