Schwarze Blüte, sanfter Tod
in die Länge zu ziehen, bis es mir gelang, sie zu zerreden. Er brüllte nämlich: »Es hat einen Toten gegeben, ja! Im Hotel weià man das. Einen! Das war Ba Kwon. Ihn haben wir gefunden. Fehlt der Mann, den er erledigen sollte. Den möchte man uns gern als tot verkaufen. Wo ist er?«
Ich versuchte es auf eine andere Art: »Vielleicht sollte ich wirklich einmal mit der Polizei darüber sprechen. SchlieÃlich müÃten die ja wissen, was da eigentlich los ist!«
»Du wirst mit gar niemandem mehr reden, auÃer mit mir!«
Er sah auf eine nicht grade kleine Uhr an seinem Handgelenk. Eines dieser Prunkstücke, mit denen jeder Protz für eine Menge Geld versucht, sein Image aufzubessern.
Nachdem er mir noch einen weiteren Tritt in die Seite verpaÃt hatte, gewissermaÃen zur Erinnerung, wer hier der Boà war, versprach er mir ohne nennenswerte Gemütsbewegung: »In genau sechs Stunden von jetzt an bin ich wieder hier. Dann will ich Antworten auf meine Fragen. Wenn nicht, werden sie dich morgen früh irgendwo westlich von Kowloon im Meer finden. Es sei denn, ein Hai war früher da.«
Er war schon an der Tür, als er sich besann und noch einmal zurückkam.
Mit einem Springmesser schnitt er die Plastikfessel durch, die meine FüÃe unbeweglich gemacht hatte. Eine Sekunde dachte ich an einen Tritt, der ihn kampfunfähig machen könnte. Aber dann siegte die Vernunft: die Beinmuskeln waren von der Fesselung so lahm, daà ich bestenfalls einen blauen Fleck an seinem Kinn erzeugen würde. Vorausgesetzt ich traf es überhaupt.
Der Typ deutete auf den Eimer, der in der Ecke stand: »Ich habe was gegen die Beförderung von Leichen, die auch noch vollgeschissene Hosen haben! Das Licht bleibt an!«
Die aus dicken Bohlen gezimmerte Tür knallte hinter ihm ins SchloÃ. Es gab wieder das Geräusch des Schlüssels. Dann war es still. Eine Weile brauchte ich, um mir darüber klar zu werden, daà es Dr. Bu Yon nicht mehr gab, wenn der Typ vorhin die Wahrheit gesagt hatte. War das meine Schuld? SchlieÃlich hatte ich zusammen mit Jerome Blondel die Ente im Island Guardian ausgeheckt. Herzinfarkt hatte der Typ gesagt. Stimmen muÃte das auch nicht. Ich würde daran noch eine Weile zu knabbern haben. Aber â ich würde mir das Gesicht dieses Typs, der offenbar an der Befragung Bu Yons beteiligt gewesen war, gut merken. Rache war eigentlich nie mein Geschäft gewesen. Aber dafür, daà Bu Yon gestorben war, würde er eines Tages seine Quittung bekommen.
Ich stellte mich auf die FüÃe. Machte einen vorsichtigen Schritt und noch einen. Nach einer Reihe solcher Schritte gelang mir die erste Kniebeuge, obwohl mir alle Rippen dabei wehtaten. Wenn der Typ das nächste Mal kam, würde er eine Ãberraschung erleben. Falls ich genug Zeit behielt, um mich auf ihn vorzubereiten.
Es mochten zwei Stunden vergangen sein, in einer Stille, die nur gelegentlich von ganz fern das Geräusch eines Automotors heranbrachte, so leise, daà es gerade noch wahrzunehmen war. Ich war immer noch mit Kniebeugen beschäftigt. Eine Zeitlang hatte ich versucht, irgendwo in den Mauern eine scharfe Kante zu finden, an der ich die Handfessel hätte durchschleifen können â nichts. Auch der Eimer bot keine Chance, sein Rand war glatt. So blieb nur die Hoffnung, den Typ zu überraschen, wenn er dachte, ich hätte schon mit dem Leben abgeschlossen und wäre zu keiner Gegenwehr mehr fähig. Daà er sein Springmesser in die rechte Hosentasche gleiten lieÃ, hatte ich sehr wohl registriert.
Und da war plötzlich, kaum noch vernehmbar, die flüchtige Spur von Musik in der Stille â war das eine Sinnestäuschung? Oder hatte jemand in einem an meine Zelle grenzenden Raum ein Radio laufen?
Es war kein Radio! Zuerst registrierte ich nur den hetzenden Takt der BaÃgitarre, dann, nach und nach erkannte ich die Melodie, die wie durch tausend dämpfende Schleier bis in dieses Kellergelaà drang. Keine Stimme. Die kam nicht bis hierher. Aber es war die traurig gewordene Gitarre der Marietta Moreano. Kein Zweifel. Und als ich nach der Pause sicher war, die ebenso hauchdünne Melodie des Songs vom Jefe Pancho Villa zu erkennen, war mir klar, daà ich in Mong Kok war, Shanghai Street. In der Nähe des Suzie Wong , oder im Keller unter der Edeltanzbude des Herrn Chao Yan.
Während ich meine Ohren anstrengte,
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