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Schwarze Blüte, sanfter Tod

Schwarze Blüte, sanfter Tod

Titel: Schwarze Blüte, sanfter Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harry Thürk
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Telefon versichert hatte, ich sei willkommen.
    Nun war ich wieder der durchschnittlich gekleidete Herr, der trotz des protzigen Autos niemandem auffiel. Vielleicht auch, weil das Auto seine besten Jahre schon eine Weile hinter sich hatte.
    Waialae lag nach einer längeren Berganfahrt vor mir wie ein Park mit tausend verschiedenen Bäumen und Büschen, mit Blumen und malerischen Felsen, alles von einem begabten Gärtner zusammengesucht. Nur daß es den Anschein machte, als habe ihm ein Diener der Göttin Pele an den schönsten Stellen immer wieder ins Handwerk gepfuscht und schmucke Villen hingestellt, um die Freude über die üppige Natur in Grenzen zu halten.
    Ich fand das Anwesen der Blairs, nachdem mir der Fahrer eines am Straßenrand geparkten Taxis den Weg gewiesen hatte.
    Ein paar tausend Quadratmeter gepflegtes Grün, Gelb, Rot und Blaßviolett. Geharkte Wege, Oldie-Straßenlaternen, die vermutlich aus einem aufgelösten Freudenviertel stammten, so schön waren sie, und weit von der Einfahrt entfernt einer dieser Bungalows, die eigentlich Super-Mega-Bungalow genannt zu werden verdienten. Man hatte sie auch auf dem Peak in Hongkong, und da oft noch ein bißchen protziger.
    Empfangen wurde ich von einem Dalmatiner, dessen schwarze Flecken im hellen Fell wie mit Schuhcreme blankgewichst wirkten. Er saß bewegungslos vor der Eingangstür und blickte mich an, ohne zu bellen. Ich war ihm keinen Laut wert, den Eindruck machte er. Sein Blick folgte meiner Hand, als ich den Türklopfer betätigte, und als ein japanisches Hausmädchen öffnete, tat er so, als sei sie nicht vorhanden. Er schritt gravitätisch an ihr vorbei ins Haus, ohne auch nur mit dem Schwanz zu wedeln.
    An Laureen, die im Hintergrund auftauchte, sprang er freudig hoch. Er saß auch neben ihr, als wir uns im Salon einen geeisten Tee gönnten. Laureen hatte wohl doch noch in Erinnerung, daß meine Neigung zu Alkohol gering war.
    Einmal schlich das Hausmädchen an uns vorbei und schaltete eine zusätzliche Klimaanlage ein, die, wie ich zu spüren meinte, eine Art Blütenduft verströmte, dann ließ sie uns allein, und ich spielte Laureen das Adressenband vor, ohne ihr zu verraten, wie ich dazu gekommen war.
    Sie hörte es aufmerksam an, dann sprach sie über einige Leute, die sie kannte. Es gab Namen, die Laureen wohl nicht bei der Teoro vermutet hätte. Sie zeigte sich verwundert, und ich registrierte das als Ansatzpunkt für mich – eine Nachforschung würde sich in Einzelfällen lohnen.
    Â»Am meisten überrascht mich«, gestand sie mir, »daß sie die Privatanschrift von Fred Osborn notiert hat. Das deutet auf eine nähere Bekanntschaft hin, von der ich nie etwas bemerkt habe. Im Gegenteil, wenn sie mit Fred zu tun hatte, gab sie sich meist ziemlich zugeknöpft. Und dann ist da diese Francis Lee. Sonderbar ...«
    Meine Nachfrage bescherte mir die Kurzbiographie einer Sängerin, die etwa ebenso alt wie Hana Teoro war. Die Tochter eines Amerikaners und einer Chinesin aus Saigon war in Cholon aufgewachsen. Später, als der Krieg dort heftiger wurde und unzählige GI’s die Stadt bevölkerten, entdeckte Francis Lee, daß Leute ihr gern zuhörten, wenn sie sang. Das tat sie zuerst in einem kleinen Schuppen in Cholon, aber der war »off limits« für Amerikaner, und deshalb wechselte sie in eine große Bar in der Tu Do, wo sich jeden Abend die Soldaten trafen, denen der Krieg so wenig Befriedigung brachte, daß sie für ein paar Stunden Tanz, Trubel, einschmeichelnden Gesang und für das Versprechen eines Vormittags auf der Matte, nach Schließung der Bar, dankbar waren. Mit grünen Dollarscheinen.
    Es war das Saigon des Krieges, und Francis Lee war ein echtes Kind ihrer Zeit.
    Sie lernte schnell. Bald beherrschte sie nicht nur die gängigen Songs aus den Staaten, die jedem GI Tränen der Rührung in die Augen drückten. Sie probierte Lieder aus, die junge Saigoner in muffigen Quartieren am River verfaßten, mit Texten, die den GI in Vietnam besangen, seine Verlorenheit, seine Einsamkeit in diesem unverständlichen Land, seine Gefühle, wenn er zum Einsatz geflogen wurde, die Kälte des Todes, dessen Geschäft er betrieb – das alles, von Francis Lee in einem gewollt akzentbeladenen Song dargeboten, riß die Krieger in der Bar zu Beifallsstürmen hin und verhalf dem Etablissement zu ungeahnter

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