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Schwarze Blüte, sanfter Tod

Schwarze Blüte, sanfter Tod

Titel: Schwarze Blüte, sanfter Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harry Thürk
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überlege vielmehr, an wen ich dich dort verweise. Wie ich die Mutterlandspolizei kenne, lassen die dich totlaufen.« Er hatte aus der Sachlage des Falles heraus sogleich begriffen, daß Nachforschungen in Shanghai von Erfolg sein konnten. Nach einer Weile zog er Papier und Stift aus der Tasche und schrieb etwas auf einen Zettel. Am Ende drehte er ihn um und versah ihn mit einer Adresse und Telefonnummer. Alles aus dem Kopf. Nur um nicht etwa auch noch Eitelkeit bei ihm zu wecken, kommentierte ich das nicht.
    Als er mir das Papierchen hinschob, brummte er etwas Unverständliches. Erst als er es wiederholte, hörte sich das an wie: »Nanking Lu. An der Wasserfront. Huang Pu. Warenhaus Yangtse . Der Mann hat dort den Posten eines Einkäufers. Chef der Abteilung Klamotten, besser gesagt. Wenn sich einer in Shanghai auskennt, dann er. Der Rest steht auf dem Zettel ...«
    Â»Du meinst, er kann mir was füttern?«
    Er hob sein Bierglas an die Lippen, trank genußvoll, wischte sich, von den Engländern abgeguckt, mit dem Handrücken den Schaum von den Lippen, rülpste chinesisch dezent, und erst dann ließ er sich herab zu bemerken: »Würde ich dir sonst seine Adresse geben?«
    Â»Entschuldige!«
    Er sagte versöhnlich: »Wir haben ihm vor längerer Zeit mal einen großen Gefallen getan. Er wird sich gern revanchieren. Guter Mann, übrigens ...«
    Wir tranken. Orderten noch ein Bier. Erzählten uns, was sich an Skurrilitäten so zutrug, nach der Wahl, nach Clintons Visite und in diesem trägen Sommer überhaupt, mit seinen dreißig Grad noch am Abend.
    Â»Pipi gesund?« wollte er wissen. Ich bestätigte ihm, daß sie das war, daß sie sich außerdem im Excelsior nach wie vor wohlfühlte. Beiläufig erwähnte ich auch, daß ich froh war, in Aberdeen auf einer Dschunke zu wohnen, weil dort auf dem Wasser die Nachttemperaturen doch wenigstens drei oder vier Grad niedriger waren als an Land, in den Wohnkästen.
    Â»Das Geschäft bei der Mutter?«
    Sie hatte ihm in unserer Kindheit so manches Mal kühlende Kompressen auf Beulen gelegt, die er sich bei Prügeleien in Wanchai geholt hatte. Meine Mutter führte, nachdem sie im Koreakrieg Witwe geworden war, als mein Vater mit seiner Maschine abstürzte, das Hibiskus , eines der Szene-Lokale in diesem bunten Herzen von Hongkong. Mit bemerkenswertem Erfolg. Sogar jetzt, nachdem das Mutterland uns in vielerlei Hinsicht bevormundete, und wo jeder Idiot sich verpflichtet fühlte, über die asiatische Wirtschaftskrise zu labern, bloß weil dieser Familienmonarch in Indonesien in seiner Habgier zu hoch spekuliert hatte, und natürlich die Börsen in Singapore und bei uns husteten, fuhr sie immer noch Überschüsse ein.
    Â»Freut mich«, äußerte Bobby. Ȇbrigens, ehe ich es vergesse, wenn sich im Umfeld dieser Morddrohung gegen Ai Wu etwas Neues tut, würde ich einen Tip von dir schätzen ... rechtzeitig ...«
    Ich grinste ihn an und hob mein Bierglas: »Partner, es wird mein ganzer Stolz sein, dich aufzuscheuchen, bevor ihn einer etwa noch killt! Prost!«
    *
    Shanghai war ganz offenbar nicht mehr das, was es den Kalten Krieg hindurch für uns Hongkonger gewesen war. Ich kannte es nur aus Erzählungen, aber ich glaube, es muß sich mit rasanter Geschwindigkeit verändert haben.
    Da bohrten sich am Bund – gar nicht so viel anders als bei uns – die Betontürme der Hochhäuser in den Himmel, Chrom und Glas blitzten, die Sraßen waren voller Autos aus aller Herren Länder, und die Leute, die da über die Fußwege wimmelten und die Gassen bevölkerten, in denen das Chrom – auch ähnlich wie bei uns – spärlicher wurde, sahen nicht so viel anders aus als die in Hongkong.
    Daß schon am Flughafen Schulklassen herumschwirrten, mit den roten Mao-Gedächtnis-Halstüchern, registrierte ich ziemlich gelassen. Mit der Annäherung an das Mutterland waren die Schocks über so manche Ungereimtheit schwächer geworden oder ganz verschwunden. Außerdem lärmten die Kinder in Hongkong nicht weniger als die hier. Außer den roten Tüchlein war also kein nennenswerter Unterschied zu entdecken.
    Kam die Überraschung, als ich auf der Nanking Lu, einer Straße, die eine Legende war, und die sehr den Geschäftsstraßen bei uns ähnelte, das Kaufhaus ausfindig machte, in dem der Mann arbeitete, dem mich

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