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Schwarze Blüte, sanfter Tod

Schwarze Blüte, sanfter Tod

Titel: Schwarze Blüte, sanfter Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harry Thürk
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Bobby Hsiang empfohlen hatte: Yangtse . Eine Gemeinschaftsunternehmung mit einem der besseren Häuser in London übrigens.
    Nicht ungewohnter Kontrast: in den Gassen hinter der Nanking Lu rollten Fahrradrikschas mit alten Frauen gemächlich durch das Gewühl von Menschen, Lastfahrzeugen, spielenden Kindern, am Boden hockenden, versunken in das Gewimmel blickenden alten Männern in verschlissenen Unterhemden und kurzen Hosen, während vor dem Yangtse ein elegant uniformierter Boy, der Charles de Gaulles leiblicher Urenkel hätte sein können, mehrsprachig verkündete, daß Oliv dies Jahr die Modefarbe sei, außerdem der Safari-Look super-in, und für den Abend die lockere, einfarbige Robe mit weitem Ausschnitt, in den am besten ein goldgefaßter Stein aus der Schmuckabteilung des Hauses paßt – wie sehr das Mutterland doch Hongkong glich! Oder täuschte da der Schein? In der kurzen Zeit, die ich hier zu verbringen gedachte, würde ich das wohl kaum herausfinden ...
    Â»Sie haben einen Termin bei Herrn Chuan?«
    Die Aufsichtsdame in der Abteilung, die vor Kleidern aller Farben, Längen, Musterungen, vor modischem Schnickschnack und neckischem Zubehör buchstäblich aus den Nähten zu platzen drohte, war nicht weniger gut geschminkt, ihr Haar nicht weniger modern frisiert als das etwa in Hongkong bei den Damen der Fall zu sein pflegt, die für das Image der Unternehmen Hung oder Lee stehen. Ich versuchte, mein betörendstes Lächeln aufzusetzen, als ich ihr erklärte, ich käme aus Hongkong und würde auf Empfehlung eines Freundes gern Geschäftliches mit Herrn Chuan besprechen, für eine Terminabsprache habe sich leider keine Chance mehr ergeben.
    Es mochte das Stichwort Hongkong sein, das ein Lächeln auf ihr hübsches Gesicht zauberte. Sie werde mit Herrn Chuan sprechen. Von wem die Empfehlung aus Hongkong wohl komme?
    Â»Sir Bobby Hsiang«, sagte ich, wobei ich mir Mühe geben mußte, nicht zu feixen. »Er hat mit Herrn Chuan schon zu tun gehabt. Herr Chuan wird sicher gern bereit sein, mir ein wenig Zeit zu opfern, wenn er hört, daß es im Interesse von Sir Bobby Hsiang in Hongkong ist ...«
    Sie bestand darauf, daß ich mich in einen mit Brokat bezogenen Sessel niederließ und entschwebte mit der Grazie eines Armani-Models. Nur daß ihre Hinterbacken bedeckt waren.
    Als sie wieder erschien, fand ich ihr Lächeln noch gelöster als vorher.
    Â»Herr Chuan ist hocherfreut, jemanden zu begrüßen, der von seinem Freund Hsiang aus Hongkong kommt!«
    Sie ging mir voraus durch Kilometer von Sommerkleidern, Badeanzügen, Stapel von Wäschekartons, Strandlatschen, bis Herr Chuan sichtbar wurde und sie dezent beiseite trat, sich leicht verbeugend, wie Englands Premier, wenn die Queen anrückt.
    Â»Hallo!« rief Chuan fröhlich, als ich noch ziemlich weit von ihm entfernt war. Er kam mir entgegen, ein kleiner, schlanker Mann in dunklem Anzug, den bunten Schlips akkurat geradeaus auf dem weißen Hemd. Rundes, vergnügtes Gesicht mit Pausbacken, Bürstenhaar, einen winzigen Goldring im linken Ohrläppchen.
    Das China des ausgehenden zwanzigsten Jahrhunderts. Oder war das eher der alte Mann im Unterhemd gewesen, den ich vorhin am Straßenrand sitzen gesehen hatte, versunken die Welt um sich herum betrachtend, an einer Zigarette saugend? Ich würde keine Zeit behalten, mich zwischen diesen beiden Bildern zu entscheiden. Aber das konnte ich später nachholen, zu Hause, in Hongkong, wo die Bilder nicht viel anders waren. Nur daß man sie in fremder Umgebung schärfer sieht.
    Herr Chuan pumpte meinen Arm, während er mich geschickt durch eine Tapetentür in einen Gang hinter den Verkaufsräumen dirigierte und dann in sein Büro, das den unvermeidlichen Computer aufwies, den Wasserkühler und die Utensilien für die Teezubereitung.
    Der Sessel war geeignet für einen Mittagsschlaf, und ich gab mir Mühe, nicht ganz darin zu versinken, während Herr Chuan wissen wollte, ob es Lung Tjing sein sollte oder gerade hereingekommener diesjähriger Oolong, vielleicht aber auch lieber einen Whisky mit etwas stillem Wasser ...
    Â»Das stille Wasser allein!« bat ich und schob Herrn Chuan Bobbys Zettel hin.
    Er überflog ihn, erinnerte sich sogleich an das letzte Treffen mit Bobby, wollte wissen, ob er gesund sei, ob das Durcheinander auf dem neuen Flughafen denn nun behoben sei, und wie uns

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