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Schwarze Blüte, sanfter Tod

Schwarze Blüte, sanfter Tod

Titel: Schwarze Blüte, sanfter Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harry Thürk
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Mrs. US-Präsident vorgekommen sei, in ihrem blauen Kleid, das in den Staaten vermutlich Methodisten tragen, wenn sie sonntags zur Messe gehen, haha, nicht zu reden von der Fahne, die das Fräulein Tochter herumgeschwenkt hatte, und die man besser in einen Spendencontainer der Heilsarmee hätte versenken sollen, anstatt sie ausgerechnet bei einem Staatsbesuch in China zu tragen, das arme Girl ...
    Â»Wir hätten sie mit Vergnügen eingekleidet, Mister ... Lim Tok! Wir hätten sie aussehen lassen wie Rockefellers Urgroßnichte, die nach Brunei reist, um sich mit dem Enkel des Sultans zu verloben, haha ...!«
    Dann sprachen wir eine Weile über Hongkong, unsere jeweiligen Lebensumstände, über so vieles, wie das bei Chinesen üblich ist, bevor sie endlich zur Sache kommen. Zuletzt, als Zeichen, daß es soweit war, versicherte mir Herr Chuan, wie gern er Mister Hsiang einen Dienst erweisen wollte, was er für mich denn tun könnte.
    Ich fragte ihn, ob er Ai Wu kenne.
    Â»Den Darsteller? Von der Leinwand her, ja.«
    Ob er wisse, daß er aus Shanghai nach Hongkong gekommen sei?
    Er wußte es nicht. War wohl zu lange her. »Da sind in den verrückten Jahren damals so viele Leute weggegangen. Arme Kerle, manche, aber auch hervorragende Talente. Es war eine Zeit der Prüfungen ...«
    Ich schilderte ihm, ohne in Einzelheiten zu gehen, mein Anliegen, möglichst viel über Ai Wu’s damalige Lebensumstände zu erfahren, von Leuten, die ihn gekannt hatten, über Besonderheiten, die es da gab, und die vielleicht Aufschluß geben könnten, wer ihn heute verfolge. Ob es politische Gründe sein könnten ...?
    Herr Chuan überlegte eine Weile, dann gestand er mir, daß das durchaus eine Möglichkeit wäre. »Die Umstände haben sich seither sehr geändert, Mister Lim Tok. Obwohl die Erinnerungen teilweise noch sehr lebendig sind. Aber – wer könnte schon ein Interesse daran haben, einen von ein paar Millionen Flüchtlingen heute zu verfolgen? Da muß es wohl einen sehr persönlichen Anlaß geben ...«
    Ich hütete mich, ihm zu bestätigen, daß dies ja auch mein Verdacht war. Er lächelte plötzlich. Gluckste: »Ich weiß schon, weshalb Mister Hsiang Sie an mich verwiesen hat, ja! Er vermutet, daß ich noch von früher Leute kenne, die Ihnen Auskunft geben könnten. Und da vermutet er richtig ...«
    Herr Chuan war, so verriet er mir, im Fundus des Shanghaier Filmstudios angestellt gewesen, zu der Zeit, als China durch Maos Kulturrevolution torkelte, als auf den Bühnen hochklassige Ballettkünstler Heldenopern tanzen und dabei die rote Fahne schwingen mußten, mit heroischem Blick auf Frau Mao, die da in der ersten Publikumsreihe saß, inmitten ihrer Leibwächter. Und bei seiner Arbeit damals hatte Chuan die meisten Künstler kennengelernt und kannte bei den heute noch existierenden Studios so viele Leute, daß ihm sogleich einfiel, an wen er mich verweisen könnte.
    Er tippte eine Nummer ins Telefon, drückte dann den Mithörknopf, so daß ich das Gespräch verfolgen konnte, und als sich am anderen Ende der Leitung eine Frauenstimme meldete, verlangte er: »Bao An, bitte, kann ich ihn sprechen? Chuan vom Yangtse hier ...«
    Ich konnte mir Bao An nur vorstellen, aber so gewagt solche Vorstellungen sind – ich traf einigermaßen ins Schwarze, wie sich später herausstellte. Als er den Namen Ai Wu hörte, grunzte der ans Telefon Gerufene ein Wort, das ich nicht kannte, und erkundigte sich, welcher Idiot denn ausgerechnet über diesen Gauner etwas wissen wolle.
    Herr Chuan machte nur die Andeutung, daß ein sehr guter Freund aus Hongkong da sei. Was Bao An zu einem erneuten, mir unbekannten Fluch in Mandarin veranlaßte und schließlich zu der Frage: »Kann er am Abend in den Durstigen Fisch kommen?«
    Ich nickte Chuan zu, natürlich konnte ich, wenn man mir beschrieb, wo das war.
    Â»Also um neun«, verblieb Chuan. Dann erklärte er mir, wo der Tanzpalast lag. Eigentlich brauchte ich nur nördlich der Nanking Lu den Soochow River zu überqueren und ostwärts in die Ta Ming Lu einbiegen.
    Im Mutterland gab es noch die gute alte Einrichtung dieser Tanzpaläste, die in Hongkong recht spärlich geworden waren. Sie waren weder mit Nachtbars noch mit Discotheken oder anderen mondänen Unterhaltungsstätten vergleichbar. Es handelte sich meist um riesige

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