Schwarze Blüte, sanfter Tod

der Tanzfläche sich wiegend ihrem Glück entgegenschaukelten, während der Zigarettenqualm sich unter der Decke sammelte, von ein paar riesigen Ventilatoren unablässig durchgequirlt, eine Geschichte, die ich nicht erwartet hatte und die mir andeutete, daß der Auftrag, den ich da übernommen hatte, nicht gerade zu den einfachsten gehörte.
    Bao An und Ai Wu gehörten dem gleichen Jahrgang an, der in Shanghais volkseigenen Filmstudios zu sozialistischen Künstlern ausgebildet werden sollte, damals. Ai Wu hatte den Schauspielerberuf im Sinn, Bao An den des Regisseurs. Beide hatten, wenn man es heute betrachtete, ihr Ziel erreicht. Allerdings auf verschiedenen Wegen und mit unterschiedlichen Mitteln.
    Young Mou gab es da noch, ein Mädchen, das sie aus einem nicht mehr erinnerlichen Grunde Bessie Young nannten, jung wie sie, lebenshungrig, filmverrückt, mit dem Ehrgeiz, einmal mindestens so berühmt zu werden wie Bai Yang, die ein Seminar bei ihnen abhielt, das sie nie vergaßen. Oder doch?
    Â»Bessie und Ai Wu waren befreundet«, erzählte Bao An. »Es war die Zeit, als sich die Oberen in der Staatsführung einzubilden begannen, sie herrschten über ein Volk von lauter Verrätern, Spionen, Abtrünnigen – ich weiß nicht was noch. Jedenfalls fanden sie, die Kultur ihrer Untertanen müsse unbedingt verändert werden, was immer sie darunter verstanden. Und sie forderten jeden auf, den anderen zu denunzieren, auf seine Fehler hin, auf ein unbedachtes Wort, eine Gewohnheit, die sich nicht einfügte in das Bild, das da entstehen sollte, von neuen Menschen.
    Sie wissen, daß man Leute damals einsperrte, etwa weil sie amerikanische Briefmarken sammelten?«
    Ich wußte davon. Ich wußte auch aus zeitgeschichtlichen Filmen, daß es diese eigenartigen Kampfversammlungen gegeben hatte, von denen Bao An nun zu sprechen begann. In denen wurde ein zu Kritisierender vor einen Saal voller aufgeputschter Leute gestellt, mit gesenktem Kopf, und die Leute im Saal zeigten mit Fingern auf ihn, brüllten ihn im Chor an, wegen angeblich mangelnder politischer Zuverlässigkeit, wegen zu geringer Verehrung des Vorsitzenden und verurteilten ihn zu wahren Höllenqualen, die ihn läutern sollten. Das alles unter den wachsamen Augen der Aufseher, die jeden registrierten, der sich nicht genügend erregte.
    Â»So war das, ja«, bekräftigte Bao An seine Schilderung, als habe er Sorge, man könnte sie ihm nicht abnehmen. »Eines Tages traf es Bessies Eltern. Beide Dramaturgen im Studio. Wurden wegen sogenannter bürgerlicher Allüren von einer solchen Versammlung zu Umerziehung durch Arbeit verurteilt. Lao Gai. Hatten irgendwo geäußert, daß sie das Aroma von amerikanischen Marlboro-Zigaretten angenehmer fanden als das unserer Marke Große Mauer. Umerziehungslager, oben im Nordwesten. Heilungkiang. Im Winter. Niemand wußte, wo sie eigentlich waren, auch Bessie nicht. Bis dann eines Tages die Nachricht kam, sie wären beide bei einem Arbeitsunfall getötet worden. Und gleich an Ort und Stelle beerdigt. Bessie ging mit Ai Wu damals. War im dritten Monat schwanger. Sie bettelte ihn an, er solle sie heiraten, aber er tat das nicht. Bis eines Tages ein Zettel am schwarzen Brett der Wandzeitung mitteilte, Bessie habe sich von einem amerikanischen Imperialisten schwängern lassen, einem ehemaligen Kriegsgefangenen aus Korea, der in China geblieben war, weil er hier weniger Rassismus vermutete als zu Hause. Es war der falsche Entschluß gewesen. Aber der Mann konnte, als er seinen Irrtum merkte, gar nicht so einfach nach Amerika zurück. Weil man ihn dort inzwischen als Kommunistenfreund abgestempelt hatte. Und Kommunisten durften nicht nach Amerika einreisen. Das erzählte er mir einmal. Er verdiente sich in den Studios ein bißchen Unterhalt, indem er in den unzähligen Kriegsfilmen, die damals gedreht wurden, den dummen, verschlagenen, aber von den Volksarmisten regelmäßig triumphal überwältigten und dann um Gnade winselnden GI darstellte. Kalter Krieg. Der Junge hatte mit Bessie nie etwas gehabt. Aber sie kam vor eine ähnliche Versammlung wie zuvor ihre Eltern. Wie tausend andere von uns. Ergebnis: Lao Gai. Nordwesten. Sie kam erst nach dem Tode Maos zurück. Da war Ai Wu noch bei uns.
    Das Kind hatte Bessie unter den Strapazen im Nordwesen verloren. Ai Wu war auf dem Sprung nach Hongkong. Bessie erzählte mir damals,