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Schwarze Blüte, sanfter Tod

Schwarze Blüte, sanfter Tod

Titel: Schwarze Blüte, sanfter Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harry Thürk
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nach Victoria, es liegt in der Gasse hinter dem YMCA-Haus ...
    Ich half ihr: »Das Hangtschou .«
    Â»Sehr richtig, Hangtschou ! Ich finde es sehr angenehm, dort zu sitzen. Sagen wir in einer Stunde?«
    Ich entschuldigte mich: »Machen Sie zwei daraus, ich lebe in Aberdeen, auf einer Dschunke ...«
    Â»Wie romantisch!« schwärmte sie. »Also in zwei Stunden im Hangtschou . Sie erkennen mich an einer Sonnenbrille mit weißer Fassung!«
    Ich hätte sie auch ohne dieses Requisit erkannt. Chinesinnen, die sich in Amerika einbürgern, haben eine unverwechselbare Art, sich zu kleiden, sich zu geben, sogar an ihren Gewohnheiten kann man sie bald ausmachen, etwa wenn sie in einem Lokal sitzen und auf jemanden warten. Nichts bleibt von der mühsam übertünchten Schüchternheit der Chinesin, etwa aus dem Mutterland, die allein in einem Teehaus sitzt, was überhaupt nur in extremen Ausnahmefällen vorkommt – sie sind selbstbewußt und, ohne es zu merken, wirken sie ein wenig wie amerikanische College-Studentinnen, die ihr Taschengeld vernaschen und gar nicht begreifen, was daran jemand falsch finden könnte oder unpassend.
    Linda Logan war eine Frau, die man schön nennen konnte. An ihr paßte alles zusammen, das chinesische Gesicht, eingerahmt von gut frisiertem Schwarzhaar, die schlanke Figur, die Sportlichkeit bedeuten konnte, ohne daß das sicher war, die Freundlichkeit, mit der sie nicht geizte – sie rief mir fröhlich entgegen: »Hi, Mister Lim Tok, genau so wie sie John Lee beschrieben hat! Fein, Sie zu treffen!«
    Das Hangtschou hatte ein wenig Mutterland-Flair. Zudem bewahrte es eine gepflegt altmodische Atmosphäre. Über eine Wand breitete sich ein Bild des Westsees aus, dessen Schönheit den Ort in Tschekiang für unzählige Chinesen zum Ziel von Sehnsüchten gemacht hatte.
    Ãœber den Tischen baumelten die Halterungen für die Vogelkäfige, weil – wie eben in den heimatlichen Teehäusern der alten Schule üblich – der Gast seinen gefiederten Liebling mitnahm, wenn er zur Zerstreuung ein Teehaus aufsuchte: auch das Tier, das ja zur Familie gehörte, sollte ein Erlebnis haben!
    Einige Bambuskäfige hingen über den Tischen, und es gab ein Gezwitscher, das einem den Eindruck vermitteln konnte, die kleinen Vögel würden sich miteinander auf ihre Art und in ihrer Sprache unterhalten.
    Ich kannte das Lokal von anderen Gelegenheiten her. Der Wirt erinnerte sich an mich, und als er sah, daß ich mich mit der eleganten Fremden traf, bot er uns sogleich seinen besten Tee an, einen Lung Ching, gewachsen auf einer der hügeligen Plantagen um Hangtschou , gerade in Sichtweite des an der Wand abgebildeten Sees.
    Einer der hervorragendsten »Grünen« Chinas, für den man nur die zartesten Blätter verwendet, die nicht gekrümmt sind, sondern flach, glänzend, und die ein Getränk von smaragdgrüner Farbe zaubern, dessen leichte Herbheit es wohltuend und unverwechselbar von anderen Sorten abhebt. Eine Weile hatten wir damit zu tun, diese Köstlichkeit zu genießen.
    Miß Logan zeigte keine Befangenheit, als ich sie nach einigen unverbindlichen, aber üblichen Floskeln dann auf Ai Wu ansprach. Ja, sie wußte inzwischen von seinem Problem. Und ja, es sei ein Jammer, daß er sozusagen sein Hab und Gut verloren hatte, durch diesen Brandanschlag. Ein sympathischer Mann. Er habe Lust, in Amerika zu spielen, möchte vielleicht sogar ganz nach Amerika gehen, für immer, wenn es eine Chance dafür gab. Sie sei dabei, in dieser Hinsicht ein paar Fäden für ihn zu ziehen. Und – ja, übrigens sei sie auch aus Shanghai. War noch bevor dieser stupide »Kulturkrawall« so richtig in Fahrt kam nach Hongkong gegangen und von hier mit Hilfe bereits in den Vereinigten Staaten lebender Familienmitglieder gleich nach Kalifornien. So gern würde sie Ai Wu helfen, es sähe so aus, als würde das sogar möglich sein ...
    Der Wirt stellte ein neues Körbchen mit süßem kantonesischen Gebäck auf unseren Tisch. Linda Logan liebte es offenbar, denn sie griff sogleich zu. Keine Frau, die sich solch einen Genuß mit Rücksicht auf die Figur verkneifen muß!
    Â»Sie haben keine Ahnung, wer hinter dieser Brandstiftung stecken könnte? Auch hinter dem Anschlag im Regent?«
    Sie sah mich überrascht an. Ratlos. »Ich habe keine Vorstellung, wer so etwas tun könnte.

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