Schwarze Blüte, sanfter Tod
»sind ein besonderes Völkchen. Unser Drang nach Bestätigung, nach Publicity, nach spektakulären Rollen ist zuweilen zwanghaft. Krankhaft sagen manche. Nun gut. Wir nehmen jede sich bietende Chance wahr, einander auszustechen, wenn es um Besetzungsfragen geht, um Werbung für uns persönlich, um den Auftritt in einem Film etwa, von dem man im vorhinein weiÃ, daà er Furore machen wird, aber Anschläge aufeinander ...?«
Sie schüttelte den Kopf, daà ihr gepflegtes schwarzes Haar, das nicht nach der gängigen Kurzschnitt-Methode gestutzt war, sondern in langen, gewellten Strähnen herabhing, sich um ihren Hals bewegte, als ob das eine Liebkosung sein sollte.
»Nein. Da muà es etwas anderes geben.« Sie blinzelte mir zu. »Es wird mir schwerfallen, Ai Wu nicht danach zu fragen!«
Ich redete ihr trotzdem zu, ihn nicht durch solche Fragen zusätzlich zu beunruhigen, und sie versprach mir, ihre Schauspielerfähigkeiten dafür einzusetzen, daà sie ihm in ihrer Arglosigkeit glaubwürdig erschien.
SchlieÃlich fragte sie aber: »Glauben Sie, daà diese Anschläge mit der Einbeziehung Hongkongs ins Mutterland zusammenhängen könnten? Ich meine, daà nachträglich versucht wird, Ai Wu zu schaden, weil er damals aus der Volksrepublik geflohen ist? Als späte Rache sozusagen ...?«
So diplomatisch wie möglich erklärte ich ihr, daà ich die Anschläge nicht für eine politische Sache hielt. Ich machte sie aufmerksam, daà man Ai Wu schlieÃlich auch vor der Eingemeindung hätte erwischen können, wenn man darauf aus gewesen wäre. Und â wer sollte daran wohl jetzt Interesse haben? Er war einer von Zehntausenden von Flüchtlingen gewesen! Nein, darüber lieà ich sie nicht im Zweifel, hier waren persönliche Motive im Spiel. Ich glaubte, einen Schlüssel dafür zu haben, seitdem ich drüben in Shanghai mit Bao An gesprochen hatte, aber davon konnte ich ihr natürlich nichts erzählen. Ich versprach ihr nur, ich würde keine Ruhe geben, bis Ai Wu wieder sicher war. Sie wirkte nicht gerade erleichtert, aber immerhin gab sie sich damit zufrieden. Die Beteuerung, daà es sich bei ihrer Freundschaft zu dem Schauspieler nicht um das handelte, was man gemeinhin ein »Verhältnis« nennt, wirkte auf mich zwar nicht sonderlich glaubhaft, aber das konnte mir egal sein. Von mir wurde ja nicht verlangt, ein Liebesverhältnis aufzuklären, sondern einen Brandanschlag, einen mit Schwarzpulver, und eine Drohung ...
Die Nachtigall flirtete wieder mit dem Pirol, als wir nach einer längeren Verweildauer den idyllischen Ort verlieÃen. Nicht ohne dem Wirt vorher zu versichern, daà sein Lung Ching die Krönung des Tages gewesen war. Ich begleitete sie bis zur Fähre, bot ihr sogar an, sie in meinem klapprigen Japaner bis in die Gegend vom Peak mitzunehmen, aber sie wollte mit der Fähre übersetzen. So versicherte ich ihr, daà ich Ai Wu in den nächsten Tagen aufsuchen würde, und mich darauf freute, auch sie bei dieser Gelegenheit ... und was man sich so zum Abschied eben sagt. Wenn es sich um jemanden handelt, den zu treffen einem nicht gerade Ãberwindung abverlangt.
Als ich ihr sicherheitshalber meine Karte mit der Handy-Nummer gab, hatte ich nicht damit gerechnet, daà sie mich so bald schon anrufen würde. Sie tat es eine gute Stunde später, als ich die Gegend um das Ocean Center nach den Spuren einer Operntruppe durchforschte, die in einem Zelt aufzutreten pflegte.
»Ich höre«, sagte ich, und es muà etwas überrascht geklungen haben.
»Können Sie kommen?«
Sie sprach hastig, als ich mich erkundigte, was es denn gegeben habe. Sie sei nach Hause gekommen, und da sei die Eingangstür der Villa offen gewesen. Keine Spuren von Verwüstung im Haus, nicht einmal ein umgekippter Stuhl oder etwa eine zerzauste Gardine. Aber Ai Wu war nicht mehr da.
»Einfach weg. Spurlos. Ich bin in Sorge, befürchte Schlim-
mes ...!«
Mit wem sie da wohl einer Meinung war! Was konnte das bedeuten? Hatte sich Ai Wu ein anderes Quartier gesucht? Aus irgendeinem Grunde, den wir nicht kannten?
Ich lief zu meinem Auto zurück und fuhr los.
Am Peak muÃte ich mehrmals fragen, bis ich das Haus gefunden hatte. Es lag etwa auf halber Höhe. Eine schöne, sozusagen allseits geschonte Gegend, in der ein Baum noch ein Baum war und die Blüten an den
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