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Schwarze Blüte, sanfter Tod

Schwarze Blüte, sanfter Tod

Titel: Schwarze Blüte, sanfter Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harry Thürk
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Praktikantin aus Singapore. Blond. Leicht zu erkennen. Sie soll den Bart nicht zu lang anlegen – ich habe ihr das zwar schon gesagt, aber es wird gut sein, wenn Sie sie nochmals daran erinnern ... der Bart flattert nicht genug, wenn er zu lang ist ... also ...« Er wandte sich abrupt ab und rief einem seiner Helfer, der gerade zwei Dekorateuren klarzumachen versuchte, daß eine der Pappen sich durchbog, was bei echten Klostermauern nicht üblich war, eine wenig freundliche Bemerkung zu.
    Der Mann warf dem Produktionsleiter, dessen Aufgeregtheit hier wohl niemand mehr so recht ernst nahm, eine Kußhand hin und hieß einen der Dekorateure, eine zusätzliche Stütze zu holen.
    Inzwischen schimpfte John Lee bereits mit den Beleuchtern über die Aufhellwände, sie wären zu klein. Und außerdem – wo bleibe eigentlich der Regisseur, er solle sich gefälligst den Scheiß ansehen, der da auf seine Anweisung hin zusammengebastelt werde, schließlich sei in einer Stunde Drehbeginn!
    Es gelang mir, ihn für eine Minute zu beruhigen, und pflichtgemäß legte ich ihm nochmals die Sicherheit Ai Wus ans Herz.
    Â»Achten Sie unbedingt auf Fremde! Lassen Sie niemanden auf den Set, den Sie nicht persönlich kennen!«
    Er winkte ungeduldig ab: »Alle Mitarbeiter sind informiert worden!«
    Für Ai Wu hatte ich mir eine längst fällige Überraschung ausgedacht. Ich stieg an dem Bodyguard vorbei in den Wohnwagen, der als Schminkraum diente, und da saß der Schauspieler, von Lampen angestrahlt, bereits mit der aufgepinselten Maske und dem Wallebart. Eine blondierte Halbchinesin in weißem Mantel war gerade dabei, ihm Koteletten anzukleben. Ai Wu hatte den Drehbuchauszug mit seinem Text auf dem Schoß liegen und memorierte leise vor sich hin.
    Â»Ich gehe jetzt«, sagte ich vage zu ihm.
    Er hob den Kopf. Seine Augenbrauen verliefen schnurgerade, über der gekalkten Stirn lagen schwere, sorgfältig nachgemalte Falten. Er zog den Bart so weit herab, daß der Mund frei wurde und man besser verstand, was er sagte.
    Â»Wohin?«
    So beiläufig wie möglich antwortete ich: »Ach, da gibt es doch diese Truppe von Mutterlands-Opernleuten, unten im Süden. Shanghaier. Ich habe die Absicht, mir die Leute mal etwas genauer anzusehen ...«
    Zu den künstlichen Stirnfalten gesellten sich plötzlich einige echte. Er hatte angebissen.
    Â»Warum nur?«
    Â»Es sind Shanghaier wie Sie, Mister Ai Wu. Ich will mich erkundigen, ob von denen einer eine Vorstellung hat, weshalb man einem anderen Shanghaier, nämlich Ihnen, ans Leben will ...«
    Â»Aber ... das ist ...«, fuhr er auf. Ich überhörte die Besorgnis, die sich da zeigte, sagte nur, den Arglosen mimend: »Wissen Sie, Sie haben mich engagiert, und ich habe eben so meine Methoden, meine Arbeit anzupacken. Man muß in unserem Job immer versuchen, überall selbst die kleinsten Fakten und Informationen noch aufzupicken, wie ein Vögelchen. Unter der Vielzahl solcher an sich oft nichtssagender Einzelheiten blinkt dann nicht selten am Ende die Lösung!«

Er hatte sich wieder einigermaßen gefaßt. Schüttelte mißbilligend den Kopf, wobei der Bart über der Brust hin und her schwang.
    Â»Unnütze Mühe!« knirschte er.
    Ich sagte leichthin: »Mister Ai Wu, man muß alle Möglichkeiten nutzen. Vielleicht gibt es ja unter diesen Leuten tatsächlich jemanden, der etwas gehört hat, was Sie betrifft. Der vielleicht sogar jemanden kennt, von dem Ihnen Gefahr drohen könnte.«
    Er schüttelte wieder den Kopf. Jetzt wäre es mir ein Vergnügen gewesen, ihn mit dem dümmsten Gesicht der Welt zu fragen: »Wenn Sie die Truppe so harmlos finden, warum waren Sie dann nach dem Besuch bei ihnen so durcheinander?« Aber das tat ich nicht. Seinen zahlenden Auftraggeber bringt man nicht in solche Verlegenheit.
    Â»Bis dann!« verabschiedete ich mich deshalb höflich von ihm. »Ich wünsche gutes Arbeiten!«
    Nichts kam von ihm zurück. Also winkte ich der kleinen Schminkfee locker zu und schwang mich aus dem Wagen.
    Auch der Bodyguard war maulfaul, als ich mich verabschiedete. Ich nahm an, er hatte in der vergangenen Nacht nicht geschlafen. Oder nur wenig. Vermutlich setzte ihm die Mittagshitze über dem Hügel mehr zu als mir. Es war schließlich Hochsommer, und dieses Jahr meinte es die Sonne gut mit uns. Der Regen fiel meist weit im Inneren

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