Schwarze Blüte, sanfter Tod
eine der Kellnerinnen herbei, die sich bemühte, ein verständnisvolles Lächeln zu unterdrücken, als ich auf die Frage, ob es nicht etwa zwei Mandelliköre sein sollten, erschrocken abwehrte: »Oh, bitte, ich würde einen Scotch bevorzugen! Ohne Eis, ohne Wasser, so wie der Lord des Alkohols ihn schuf!«
Um die Sache endgültig auf die Schiene des Humors zu schieben, blinzelte ich ihr verschwörerisch zu: »Gerührt kann er sein, auch geschüttelt!«
Sie belohnte mich mit einem ebensolchen Augenzwinkern, und als die Getränke vor uns standen, schwärmte Mià Wei: »Ich liebe diesen Mandelgeschmack, seit wir in Kunming gastierten. Dort gab es eine Familie, die stellte das Getränk sozusagen illegal her und lieà es uns kosten ... Waren Sie mal in Kunming?«
Ich gestand ihr: »Leider nicht. Uns Hongkonger zog es bis vor einiger Zeit ja nicht so sehr ins Mutterland. Wir waren dort auch nicht so gern gesehen. Ich hatte beruflich in Kanton zu tun. Und ... nun ja, in Shanghai, jetzt ...«
Der Ausdruck ihres Gesichtes wurde versonnen. Sie trank einen Schluck von dem Mandellikör, und während ich mich über das wohlige Brennen des Whiskys in meiner Kehle freute, begann sie von ihrer Heimatstadt zu schwärmen. Der Bund, der Hafen, die Nanking Lu ...
Ich winkte verstohlen der Kellnerin, noch eine der etwas milchigen Köstlichkeiten für sie zu bringen. Menschen die von ihren schönsten Erinnerungen überwältigt werden, soll man nicht unterbrechen ...
Ai Wu, neben mir auf dem Vordersitz des Toyota, schnarchte leise vor sich hin. Ein Zeichen dafür, daà er in der Nacht schlecht geschlafen hatte? Oder dafür, daà er sich in meiner Gegenwart und in Anwesenheit des von der Polizei gestellten Bewachers auf dem Rücksitz einigermaÃen sicher fühlte. Vermutlich beides.
Die StraÃe war endlos. Ai Wu hatte sich geweigert, mit dem Boot an der Küste Kowloons entlang bis in die Nähe des Drehortes zu fahren â er werde leicht seekrank, und man würde ihm später bei den Aufnahmen die Tortur anmerken. Also tuckerten wir uns zuerst in Victoria von Stau zu Stau, dann durch den Tunnel, weiter nordwärts, und jetzt lieÃen wir gerade Tsuen Wan hinter uns. Rollten an der Küste entlang westwärts in einem etwas dünner werdenden Verkehr, der uns immerhin besser vorankommen lieÃ, als es vorher in Victoria der Fall gewesen war.
Leise sagte ich über die Schulter zu Ai Wus polizeilichem Bodyguard: »Am Set selbst ist die Gefahr vermutlich nicht so groÃ. Zu viele Augen. Die Leute kennen einander. Aber in Pausen, wenn er sich zurückzieht, da gibt es für clevere Kerle Möglichkeiten. Und die sind clever ...«
Im Rückspiegel sah ich, wie der zivil gekleidete Polizist, ein Mann im mittleren Alter, der einen ruhigen, verläÃlichen Eindruck machte, wenngleich nicht den, der einem in Filmen stets in den Figuren von Bodyguards geboten wird, nickte. Dann blickte er auf seine Uhr.
Ich sah auf der Anzeige am Armaturenbrett, daà der Mittag gerade vorbei war. Wir hatten noch eine Strecke vor uns, die wir bis vierzehn Uhr schaffen konnten, dem Zeitpunkt, zu dem Ai Wu am Set sein muÃte.
»Auch wenn ihm jemand etwas zu trinken bringt«, erinnerte ich den Polizisten, »oder zu essen. Immer darauf achten, ob es Personen vom Set sind oder Fremde ...«
Von hinten kam seine Stimme: »Ich werde mein Bestes tun, Sir. Wir werden in solchen Pflichten ausgebildet, ich denke schon, daà ich Mister Ai Wu ausreichend abschirmen kann ...«
Die Auffahrt zum Kloster war nur kurz.
John Lee lief schon zwischen Pappwänden mit Natursteinmuster und Rollen mit Elektrokabeln auf und ab, seine Kladde unter dem Arm, eine kalte Zigarette zwischen den Lippen, und mäkelte an der Arbeit der Dekorateure herum, die an das alte Gebäude eine Art Verlängerung montierten, was es dem Filmteam ersparte, in den Innenräumen zu arbeiten, vor allem den Mönchen, sie auszuräumen und mit dem Mobiliar auszustatten, das die Filmer mitgebracht hatten.
»Hallo, Mister ...!« rief der Produktionsleiter mir zu. Meinen Namen hatte er garantiert vergessen, was mich nicht sonderlich bewegte. Er begrüÃte Ai Wu, stellte keine Fragen dabei, sondern forderte ihn gleich auf: »Begeben Sie sich in die Maske, Sir. Vor dem Tor, dort wo wir die Autos geparkt haben. Das Mädchen, das Sie ans Herz nimmt, heià Sheila.
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