Schwarze Blüte, sanfter Tod

man sagen, er hat die absolute Weisungsbefugnis.
    Als Superhirn hat er neben sich den Heung Chu. Präsidentenberater würde man den etwa in Djakarta nennen. Und der Sin Fung bringt alles das zur Ausführung, was diese beiden sich ausdenken. Dazu hat er meist einen unverdächtigen zivilen Posten, wie eben Eugene Hsu.
    Ich kannte Gene schon, als er noch Hsu Yue-chin hieß und gerade am Beginn seiner Karriere stand. Damals war ich Polizist, und wie das hier in Hongkong für Polizisten ratsam ist, wenn sie Erfolg haben und lange leben wollen, hielt ich zu dem angehenden Sin Fung, der 314, damals schon Kontakt, statt ihn bei jeder Gelegenheit mit dem Spruch zu beleidigen, daß ein vorbildlicher Polizist Triadenleute wie die Pest meidet.
    Das zahlte sich aus. Es gab manchen brauchbaren Tip von Gene. Es gab Hinweise auf Zusammenhänge, aus denen sich die Polizei besser heraushielt – das blieb zwischen uns auch so, nachdem ich mich als Privatermittler betätigte.
    Eugene Hsu meldete sich fröhlich, wie man das bei ihm kannte: »Hallo, Mister Lim Tok! Lange Zeit nix sehen, nix hören, nix sagen – wie läuft Leben unter großes rotes Stern?«
    Das hätte ich eigentlich ihn fragen wollen, aber allein seine gute Laune verriet mir, daß sich in der Politik Pekings, was die Triaden anging, nichts weiter geändert hatte: Man legte sich mit den Sippschaften nicht an, solange sie dem Staat nicht direkt in die Quere kamen. Erst wenn sie zu erkennen gaben, daß sie sich in Politik zu mischen beabsichtigten, würde Peking seine Truppen mobilisieren.
    Bei der 314 war das sicher so, und es war durchaus kein Zufall: die einflußreiche Triade stammte eigentlich aus dem vorrevolutionären Shanghai und hatte selbstverständlich ihre Verbindungen dahin nie abreißen lassen – warum sollte man da schlafende Hunde wecken?
    Â»Ich grüße Sie!« rief ich ins Handy. »Es geht mir ganz volksdemokratisch gut, nur daß ich Sehnsucht nach einem alkoholfreien Drink habe, wie ihn in der Qualität, die Sie führen, kein Hotel in ganz Kowloon ausschenkt ...!«
    Er unterbrach mich lachend: »Sie werden es nie bis zum Film schaffen, Mister Lim Tok! Ein Mann, der einen anständigen Whisky verschmäht, wird da nicht genommen. Wo sind Sie?«
    Das war die Aufforderung, ihn zu besuchen, soweit kannte ich mich mit seinen Gewohnheiten aus. Ich gab ihm Bescheid: »Auf dem Parkplatz.«
    Darauf sagte er: »Eben kommt meine Sekretärin herein. Ich beauftrage sie, den Drink für Sie einstweilen zu bringen. Zahlen Sie für eine Stunde Parkgebühr, länger habe ich nicht Zeit ...«
    Ein höflicher Mann. Wenn man bedachte, welche Macht er repräsentierte, konnte man froh sein, daß er überhaupt bereit war, eine ganze Stunde zu opfern, der Gauner, der ausgekochte!
    Ich verdrängte dieses Prädikat schnell, damit nicht etwa ein Schatten davon aus meinem Gesicht herauszulesen war, denn Eugene Hsu war bei allem, was ihn sonst noch charakterisierte, eben ein hochintelligenter Mann mit einer guten Portion Spürsinn.
    Bis zum Terminal, dem protzigen Bau aus Stahl und Glas, waren es nur Schritte. Wie auch bei meinen länger zurückliegenden Besuchen saß selbstverständlich auch heute wieder der alte, zerlumpte Wahrsager in der Nähe des Eingangs auf seiner Matte, der Mann mit der Sonderfunktion.
    Ich machte mir den Spaß, ihm einen kleinen Schein zuzustecken, und er warf seine Stäbchen. Sagte mir voraus, ich hätte heute einen glücklichen Tag, würde gute Geschäfte machen, und in der Liebe wäre großer Erfolg möglich bis wahrscheinlich. Was man eben für einen relativ kleinen Schein so weissagt.
    Halbblind sollte er auch erscheinen, um echt zu wirken. Nur daß das verschleierte Auge eben gar nicht krank war, sondern mit einer dieser trüben Kontaktlinsen abgedeckt, die es jetzt vermutlich schon in den Spielzeugläden von Harbin zu kaufen gab – made in Hongkong. Ebenso wie das Mikrofon im Miniformat, das in der roten Papierrose versteckt war, die er im obersten Knopfloch der Jacke trug.
    Ich zog ihn auf: »Hast dich auf die Modefarbe vom Mutterland eingestellt, wie?
    Sag Bescheid, daß ich jetzt komme, ich bin Lim Tok, und ich habe nicht die Absicht, das Büro von Blue Moon mit einer Rohrbombe zu verwüsten, dafür sind die Sekretärinnen zu schön. Nur für den Fall, daß dein Gedächtnis