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Schwarze Blüte, sanfter Tod

Schwarze Blüte, sanfter Tod

Titel: Schwarze Blüte, sanfter Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harry Thürk
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ich hatte das Ding nur in seltenen Fällen bei mir. Im Laufe der Zeit hatte ich die Erfahrung gemacht, daß die meisten Fälle sich ganz gut ohne Revolver lösen ließen.
    Als ich jetzt den Kopf schüttelte, lachte Bobby Hsiang kurz auf, und dann griff er in das Handschuhfach seines Polizeiwagens, zauberte eine Beretta daraus hervor, die zwar nicht ganz das Kaliber meines Elefantenkillers verschoß, mit der ich aber bei der Polizei immer ganz gut zurecht gekommen war. Er drückte sie mir in die Hand: »Sieben Schuß. Einer im Lauf. Betritt das Büro mit vorgehaltener Pistole. Schieß ihn ins Bein, in dem Arm, meinetwegen in die Schulter, aber wenn’s geht, laß ihn leben. Halte ihn fest. Ich bin da ...«
    Damit ließ er den Motor an und rollte davon. Als ich meinen Toyota wieder in Fahrtrichtung manövriert hatte, hörte ich, daß Bobby mit Sirene fuhr.
    Was war da oben auf der Aussichtsplattform geschehen? Ich verdrängte den Gedanken daran vorerst. Die Sache, die mir noch gestern so wenig gefährlich vorgekommen war, hatte plötzlich einen Mord gezeitigt, wenn nicht alle Anzeichen täuschten. Und was wartete auf mich in Aberdeen?
    Als ich in der abendlich geschäftigen Cameron Street in Aberdeen ankam, war ich so müde, daß ich mich am liebsten geradewegs mit einem Scooter zu meiner Dschunke hätte bringen lassen, um dort zu schlafen. Aber ich konnte den guten Wu, der ohnehin das Gegenteil von einem Helden war, nicht weiter unter der Drohung eines Mannes zittern lassen, der wohl wußte, wie man jemanden auslöscht.
    In den auf die Bürgersteige hin offenen Läden suchten Leute nach Obst und Waschpulver, Kinderhöschen und Sojasoße. Touristen, die vermutlich wenig später auf einem der Musikdampfer landen würden, die draußen auf dem Wasser wie riesige Fallen lauerten, ließen sich Amulette und Bonsaifiguren zeigen, Buddhas und bunt bemalte Fächer wechselten den Besitzer, und nicht zuletzt machte Lum, der kleine Gauner, wieder um diese Zeit seine Geschäfte: heute bot er eine Sorte Tamagochis an, mit dem dick auf Pappe gepinselten Reklamespruch:
    Das Präsidenten-Tamagochi! Keine Geheimnisse mehr im Weissen Haus! Sie steuern selbst, was der Chef treibt, wenn er nicht gerade Ziele für Raketen festlegt – keine Tabus, keine Abdeckungen, die reine, nicht jugendfreie Wahrheit: Sie lassen die Damen aufmarschieren, der Präsident entscheidet, wann, welche und wie!
    Â»Hi, Sir!« Er blinzelte mir zu, als ich an seinem Stand vorbeiging. Krümmte einen Zeigefinger, und als ich nahe genug war, flüsterte er mir zu: »Der Polyp ist in der Nähe, der mit den schwarzen Zigaretten, Ihr Freund ... Aber fragen Sie mich nicht, wo!«
    Die Anwesenheit Bobbys beruhigte mich ein bißchen. Schnell schrieb ich Lum auf einen Zettel die Nummer seines Handys und gab ihm den Auftrag: »Da oben lauert einer auf mich – wenn ich in zehn Minuten nicht wieder erscheine, rufst du den Polypen unter dieser Nummer zu Hilfe!«
    Wenn es in ganz Hongkong einen einzigen Menschen gab, der einen solchen Auftrag gewissenhaft ausführte, ohne Fragen zu stellen, dann war es der kleine Lum.
    Vor dem Haus entsicherte ich Bobbys Beretta. Aber ich hatte mich verrechnet, wie sich gleich herausstellte. Leider. Mit einem Sprung flitzte ich durch die nur angelehnte Tür in das Büro. Im selben Augenblick ärgerte ich mich, daß ich so naiv gewesen war und geglaubt hatte, es mit einem Amateur zu tun zu haben, obwohl ich es besser hätte wissen müssen.
    Â»Die Pistole da drüben auf das Wandbrett, und die Arme schön hoch!« kommandierte der Mann, den ich zuletzt mit Keng Do-lin im Her Thai in Kowloon gesehen hatte. Eigentlich sah ich nur sein Gesicht. Den Körper versteckte er hinter dem meines vor Angst bibbernden Büropartners Wu, dem er einen Revolver von den Ausmaßen eines Rasenmähers hinter das Ohr drückte.
    Â»Eine falsche Bewegung und ich drücke ab!« warnte der Killer mich. Und er fügte sogleich an: »Den weißen Kittel her, los!«
    Ich hatte geahnt, daß es darum gehen würde, und trotzdem war ich in die Falle gelaufen wie ein Anfänger. Während ich noch mit erhobenen Händen dastand und überlegte, roch ich plötzlich einen Hauch von Bastos -Tabak. Das hieß, daß Bobby irgendwo hinter mir war und auf seine Chance lauerte.
    Ich präsentierte sie ihm, und der Schachzug

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