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Schwarze Blüte, sanfter Tod

Schwarze Blüte, sanfter Tod

Titel: Schwarze Blüte, sanfter Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harry Thürk
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Legenden aus der Frühzeit Chinas. Und – so lange der Hauptdarsteller an der Rampe stand, würde sich niemand im Zelt erheben und gehen. Das wäre gegen die guten Sitten, es wäre unhöflich gewesen.
    Keng Do-lin wußte das, wie mir wenig später einfiel, und darauf baute er den Plan, sich auf eine unvergeßliche Weise von den Zuschauern zu verabschieden. Von der Welt überhaupt ...
    Â»... In meinem Leben gab es auch einen Verräter. Er trug große Schuld daran, daß eine unserer besten Schauspielerinnen heute nicht mehr unter uns ist, Yang Mou. Ich hatte das Ziel, diesen Mann zu bestrafen, ohne dabei gegen bestehende Gesetze zu verstoßen. Morgen, vielleicht übermorgen werdet Ihr die ganze Geschichte in den Zeitungen lesen können. Der Verräter wurde, obwohl ich das nicht beabsichtigte, getötet. Ich tat es nicht selbst. Aber ich habe die Schuld daran. Mit ihr kann ich nicht weiterleben ...«
    Er stellte das Schwert mit dem Griff auf den Bühnenboden. Setzte sich die Spitze auf die Brust. Da wo das Herz ist. Mir kam plötzlich der Verdacht, daß dies nicht eines jener Bühnenschwerter war, die sich zusammenschieben, wenn die Schauspieler sie sich in die Leiber stoßen. Keng Do-lins Schwert war echt, das bestätigte sich.
    Ich sprang auf. Wollte rufen, daß er das nicht tun solle. Nur brachte ich in der Erregung nicht viel mehr als ein Krächzen aus der Kehle heraus.
    Neben mir schnellte Bobby Hsiang hoch. Aber es war zu spät. Keng Do-lin sagte noch: »Verzeiht mir!«
    Dann ließ er sich mit seinem ganzen Gewicht auf die Spitze des Schwertes fallen. Als die Klinge aus seinem Rücken drang, zugleich mit einem Schwall Blut, und als Keng Do-lin zu Boden fiel, sich nicht mehr rührte, erwachte das Publikum. Aus dem anfänglichen Raunen wurde ein Schrei des Entsetzens.
    Bobby war schon auf der Bühne. Er versuchte zu helfen. Doch es gab nichts mehr, was er für Keng Do-lin tun konnte. Einer jener Fälle, die weder er noch ich vergessen würden über der Alltagsroutine, über Drogendealern und Ehebrechern, Ladendieben und Versicherungsbetrügern, kleine Gaunern und schweren Jungs, hatte sein Ende gefunden.
    Keiner war darüber glücklich. Keiner konnte einen Erfolg verbuchen. Zwei Unglückliche blieben nach dem fehlgeschlagenen Versuch von Rache zurück, Yang Mou und Wei Wen-tang.
    Ich sah das Mädchen, als der von Bobby Hsiang herbeigerufene Notarztwagen mit Blinklicht und Sirene heranpreschte und vor dem Zelt mit kreischenden Bremsen hielt.
    Sie stieg aus ihrem Wohnwagen, ging die kleine Treppe herab und an mir vorbei auf das Zelt zu, den Blick starr geradeaus gerichtet, wie in Trance. Sie sah mich nicht.
    Vielleicht wollte sie mich nicht mehr sehen ...

Mord mit zarter Hand
    Onkel Stan in Macao hatte sich als generös erwiesen.
    In meiner Tasche steckte ein Scheck über eine nicht unbeträchtliche Summe, als Vorschuß für eine diskret zu leistende Arbeit.
    Vom Anlegeplatz der Hydrofoil-Fähre in Kowloon, wo ich auch meinen inzwischen historisch zu nennenden Toyota stehen hatte, fuhr ich erst einmal zur nächsten Bank. Onkel Stan war zwar nicht als Scheckbetrüger bekannt geworden, sondern als einer der Millionäre von Macao, aber von meiner Mutter, der immer noch gut im Geschäft liegenden Wirtin des Hibiskus , hatte ich stets eingeschärft bekommen: Vorsicht ist das Schwert des kleinen Mannes!
    Also löste ich das fünftausend Dollar schwere Papier gleich ein. Es erwies sich als gedeckt. Ob man mir das erhabene Glücksgefühl ansah oder nicht, jedenfalls hatte ich es. Prompt rannte ich am Ausgang der Bank, den Packen Dollars noch in der Hand, gegen eine junge Lady mit taufrischen Dauerwellen im Afro-Look. Sie kam ins Trudeln. Nicht so sehr durch den Anprall, sondern weil ihre Augen sich wie zwei Samuraischwerter in das Dollarpäckchen bohrten.
    Dabei machte sie: »Wow!« Ich ließ das unkommentiert. Mit fünftausend Rettichen in der Tasche läßt man sich auf kein Dämchen ein. (Auch eine der Weisheiten meiner in Wanchai beheimateten Mutter!)
    Da ich schon mal bei der Familie bin: Nicht, daß Sie denken, Onkel Stan hätte etwas mit meiner Sippe zu tun! Nein. Er heißt eigentlich Stanley Haw, und ihm gehören neun von zehn Spielcasinos im benachbarten Macao. Sie wissen schon, das ist diese Zwergkolonie der Portugiesen, die vor der Rückgabe an China steht, zur

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