Schwarze Blüte, sanfter Tod
Jahrhundertwende. Altes Piratennest, das die Sammler aus Lissabon sich aneigneten, als die Chinesen vermutlich noch gar nicht genau wuÃten, wie groà ihr Reich überhaupt war. Schönes Stück altes China übrigens. Wenn die Pekinger Chefs klug sind, lassen sie es nach der Eingliederung so wie es jetzt ist. Samt der Spielcasinos, die zugegeben nicht gerade von Marx oder Lenin erfunden wurden, die aber, wenn man sie auch so läÃt, wie sie jetzt sind, dem Staat ungeahnte Mengen von Devisen einbringen können. Weil nämlich den meisten Leuten in unserer Gegend der Welt Las Vegas zu weit weg liegt. Nach Macao kommen sie lieber, wenn sie aus Geld neues Geld machen wollen. Es wird ihnen egal sein, ob da irgendwo drauÃen Portugals Fahne flattert oder die Chinas. Und â man muà ja das rote Staatstuch nicht ausgerechnet über dem Eingang hissen! AuÃerdem, statt der Internationale oder Osten ist rot kann man ja in den Salons zu vorgerückter Stunde ebensogut O Sole Mio spielen. Würde sich sogar gut machen, sozusagen als Sehnsuchtsschrei nach Licht, im Dämmer des elektrischen Firlefanzgeflackers über den Roulettetischen.
Na ja, wenn ich es mir genau überlege, ist Wirtschaftsberatung eben doch nicht so sehr mein Geschäft. Lassen wir das.
Zurück zu Onkel Stan. Feiner Mann. Ein paar Millionen auf der Kante. Zweistellig. Und dazu das Eigentum in Macao. Portugiesischer PaÃ, für alle Fälle. Zweitwohnung in Portugal. Auch für alle Fälle. Strohblonde Frau. Für einige Fälle. Aber Sorgen ...
Wir saÃen im Palace , in der Etage über den Spielsälen, in seinem Büro, das eher aussieht wie das Herrenzimmer eines Playboys, der die Erbschaft seiner ledigen Oma verfeuert. Und parallel mit dem Genuà eines Rotweins, wie er wahrscheinlich nicht einmal am britischen Königshof zu Familienfeiern ausgeschenkt wird, erzählte Onkel Stan mir, weshalb er mich eingeladen hatte, nachdem ich ihm vor langer Zeit, als ich noch Polizist in Hongkong war, einmal einen unbedeutenden Gefallen hatte tun können.
»Ich hörte zufällig, daà Sie sich verändert haben«, sagte er. »Jemand machte mich aufmerksam, daà Sie den Beruf eines Privatdetektivs mit bemerkenswertem Erfolg betreiben. Bringt sicher mehr ein ...?«
Ich bestätigte das. Ob er auch wuÃte, daà ich die Polizei damals nicht ganz freiwillig verlassen hatte, sondern weil ich unglücklicherweise bei einer Razzia den Gouverneur in Unterhosen bei einem Blumengirl antraf und er den etwas längeren Arm als ich hatte? Gentleman, der er war, würde er das nie erwähnen!
»Sie wissen, daà ich eine Nichte in Hongkong habe?«
»Ist mir bekannt«, gestand ich. »Madame Ronaldo. Juwelen.«
Er nickte. Machte ein unfrohes Gesicht. Dann eröffnete er mir: »Ich wollte Sie bitten, sie zu suchen.«
»Moment«, bat ich, »soll das heiÃen, sie ist verschwunden?«
»Seit einer Woche.« Er schluckte. Machte eine Pause, dann erklärte er mir: »Sie ist die Tochter meines einzigen Bruders. Er verstarb vor einigen Jahren. Unglücklicherweise kam ihr Mann vor einiger Zeit bei einem Flugzeugabsturz um. So ist sie meine einzige lebende Verwandte ...«
Ich hatte davon gehört, daà unlängst Mister Ronaldo als einer von drei Hongkongern umgekommen war, als eine Maschine kurz nach dem Start in New York ins Meer fiel. Um höflich zu sein, murmelte ich: »Das tut mir sehr leid für Sie. Es ist immer schmerzlich, wenn so ein Unglück in die Familie einbricht ...«
Er überging das. Während er mir schilderte, wo sich das Geschäft der Verschwundenen befand und wer dort die Aufsicht hatte, überlegte ich, ob es Argumente gab, die dagegen sprachen, diesen Auftrag anzunehmen. Es fielen mir keine ein. Die abgängige Frau war noch keine vierzig Jahre alt. Bei Ronaldo Juwelen handelte es sich um ein altes, renommiertes Geschäft, das den Ruf hatte, exzellenten Schmuck anzubieten. Es gab Leute in asiatischen Ländern, die flogen nach Hongkong, wenn ihre Gattin Geburtstag hatte. Oder ihre gegenwärtige Nebenfrau. Daà sie nicht gerade aus Slums kamen, nicht einmal aus Eigentumsetagen, sondern aus den Vierteln, in denen etwa der SpröÃling einer Familie Wang schon in der Schule mit »Junger Herr Wang« angeredet wurde, wuÃte ich. Das Geschäft selbst kannte ich auch. Südliche Nathan Road. Kowloons
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