Schwarze Blüte, sanfter Tod
immer noch das gleiche verbiesterte Gesicht, als er mich begrüÃte. Um uns herum summte es japanisch. Die Touristenströme aus dem Inselreich rissen nicht ab, denn meine Mutter brachte es fertig, den Reiseveranstaltern einzureden, die kleinen Männchen und Weibchen mit den teuren Kameras wären bei ihr am besten aufgehoben.
Am Rande des japanischen EinfluÃgebietes saÃen noch ein paar Europäer und Australier, die verzweifelt versuchten, mit den Stäbchen klarzukommen. Die Sorte eben, die Suzie Wong gelesen hatte und nun unbedingt die Heimat der unvergeÃlichen Prinzessin des Lasters aus der Nähe sehen wollte. Dabei war das, was die Suzie-Wong-Romantik ausgemacht hatte, längst ausgelaufen. Nur Randfiguren der Szene standen heute noch in Minifähnchen, die ihren nackten Hintern umflatterten, und in Hochhackigen am StraÃenrand und winkten Autofahrern. Wer von den Damen etwas auf sich hielt, schaffte längst im eigenen Apartment an. Inserierte im Daily Apple oder einem anderen Radaublatt.
Mutter hatte eine neue Kellnerin eingestellt, ein sehr junges Mädchen, das aus Kanton herüber gekommen war. Sie sah in mir, dem Detektiv, eine romantische Figur, und wenn ich im Hibiskus war, rià sie sich darum, mich bedienen zu können. So erschien sie auch jetzt, glücklich lächelnd, an unserem Tisch und lieà uns aus den Speisen des Tages wählen. Machte mir das Kompliment, ich sähe heute ganz besonders gut aus, was Nello mit kaum unterdrückter Verwunderung vernahm. Stellte uns Schalen mit Erdnüssen und Lotoskernen auf den Tisch, zückte dann den Stift, und als Nello bemerkte, es sei erfreulich viel Schwein im Angebot, klärte sie ihn sogleich auf: »Filet, ja, sehr zu empfehlen. Aber auch die süÃsauren FüÃchen ...«
Sie betete die Schweinelitanei für Nello herunter, und das eigentlich Interessante daran war, daà sie dabei nicht Nello ansah, sondern mich anhimmelte, und zwar so penetrant, daà ich froh war, Pipi irgendwo in den hinteren Gemächern zu wissen, bei Mama.
Wir einigten uns schlieÃlich auf die süÃsauren SchweinsfüÃe, die Filetscheiben in AusternsoÃe, Gurkenschiffchen, Nudelrollen, die unvermeidlichen Chiao Tse, und ein paar andere kleine Leckerbissen zwischendurch. Das Mädchen stellte uns frisches Bier hin, dazu Lychees und Kastanienpüree, bis Nello mit einem ironischen »Hallo!« ihren Blick auf sich zog und ihr bedeutete, die Liste sei so langsam komplett.
Als sie abgeschwirrt war, mit stolz geschwenktem Hintern, meinte der VermiÃtensucher: »Die spricht aber komisch ...«
»Kanton«, klärte ich ihn auf. Da machte er groÃe Augen und bekannte: »Hätte nicht gedacht, daà so ein Prachtstück von Sitzfleisch aus dem Mutterland zu beziehen ist ...«
Ich murmelte etwas von den Vorteilen der Globalisierung, und dann widmeten wir uns dem Bier und den Lotoskernen. Eine geraume Zeit verging, in der Nello vermutlich über den Hintern der kleinen Kantonesin nachdachte. SchlieÃlich sah er mich wieder an und fragte zwischen zwei Lotoskernen hindurch: »Und?« Er hörte sich kommentarlos an, was ich ihm von Onkel Stan erzählte und dessen verschwundener Nichte, und daà ich von ihm engagiert worden war. Nach einer längeren Pause, die meiner Darstellung folgte, nickte er und brummte: »Die Madame ist verschwunden. Stimmt.«
Nun kannte ich ihn einigermaÃen und wuÃte, daà man, wollte man etwas von ihm erfahren, schon ein biÃchen drängen muÃte. Deshalb forderte ich ihn auf, als die Mutterlandsschönheit uns die Schale mit den Filetscheiben gebracht hatte, die Gemüse, den Reis, alles mit süÃem Lächeln garniert: »Sagst du mir was über die verschwundene Millionärin?«
Er lieà sich Zeit. Schaufelte Reis in seine Schale, langte bei den Filetscheiben zu, auch beim Gemüse, grinste dabei, bis er endlich spottete: »Sag lieber Illusionen statt Millionen!«
Nach den ersten herzhaften Bissen ins süÃsaure Fleisch entschloà er sich dann, kooperativ zu sein und grunzte ohne aufzublicken in meine Richtung: »Was genau willst du wissen?«
»Keine Millionen auf der Kante von Madame Ronaldo?«
Er schweifte ab: »Deine Mutter ... kocht sie selber?«
»Manchmal. Schulden?«
»Weder noch.«
»Keine Rücklagen, keine Schulden?«
»Du sagst es sehr genau.«
»Und der Mann der
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